Nachhaltigkeit reloaded

Für eine vernünftige Steuerpolitik gibt’s nur einen Weg: die künftige Neuverschuldung minimieren und den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen maximieren

Der Steuernachlass für die Fahrt zur Arbeit sollte besser Zersiedelungsprämie heißen

Die blanke Not zwingt Hans Eichel dazu: Er streicht endlich Subventionen. Abermilliarden staatlicher Hilfen und Steuergeschenke von ökonomisch wie ökologisch höchst zweifelhafter Gestalt sollen abgebaut werden: Eigenheimzulage, Steuerfreiheit für den Flugverkehr oder Pendlerpauschale. Der Bundesfinanzminister geht damit endlich eine strategische Allianz mit den Grünen ein. Sparzwang und ökologischer Reformeifer treffen sich, um die staatliche Unterstützung für die Zerstörung der Umwelt einzudämmen.

Beispiel Flugverkehr. Seit Jahrzehnten bekennen sich Politiker aller Couleur zur Bahn. Ebenso lange währt die steuerliche Benachteiligung der Schiene gegenüber dem Luftraum. Bis heute bezahlt die Bahn im Fernverkehr nicht nur Mineralölsteuer, sondern auch den vollen Mehrwertsteuersatz. Für ein Bahnticket zweiter Klasse von Freiburg nach Berlin und zurück werden allein 35 Euro Mehrwertsteuer fällig. Von Freiburgs internationalem Flughafen Basel-Mulhouse fliegt man hingegen steuerfrei nach Berlin. Unter solchen Bedingungen kann die Bahn nicht konkurrieren.

Die bereits im Steuervergünstigungsabbaugesetz vorgesehene Einführung der Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Flüge mit Start oder Ziel in Deutschland könnte diesen misslichen Zustand lindern. Die Streichung dieses Befreiungstatbestands würde dem Staat satte 500 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen und der Bahn neue Fahrgäste bescheren. Nur: Die Union blockiert diese längst überfällige Korrektur im Dienste ihrer Billigfliegerwähler.

Beispiel Eigenheimzulage. Die bestehende Regelung ist ökologisch grotesk. Während die Städte ausbluten und die Versiegelung des Bodens ein Rekordtempo erreicht, wird der Neubau eines Eigenheims doppelt so hoch gefördert wie der Erwerb eines Altbaus. Im Speckgürtel der Ballungsräume, wo das Bauen billig und flächenfressend ist, macht die Gesamtsubvention eines Neubaus (20.000 Euro) fast schon die halbe Miete aus; in den teuren Städten kann man sich dafür kaum einen Abstellraum kaufen.

Während der Staat auf der einen Seite fast wahllos Steuergeschenke im Wert von zehn Milliarden Euro für den Eigenheimbau verteilt, fehlt auf der anderen Seite das Geld für den Stadtumbau. In fast allen Städten liegen riesige Grundstücke brach, weil die Kosten für eine Aktivierung der Flächen nicht zu stemmen sind, etwa wenn Altlasten ein Gelände unbrauchbar machen. Durch eine Konzentration der Förderung auf die wirklich Bedürftigen – das sind Lebensgemeinschaften mit Kindern – und den Start eines Stadtumbauprogramms würden Umwelt und Sozialstrukturen profitieren.

Beispiel Pendlerpauschale. Der Steuernachlass für die Fahrt zur Arbeit sollte besser Zersiedelungsprämie heißen. Weil die Allgemeinheit für das Pendeln zwischen Wohnung und Arbeitsplatz aufkommt, wuchern Einfamilienhaussiedlungen in den Speckgürtelgemeinden rund um die Ballungsräume, und auf den Straßen kommt es werktags morgens und nachmittags zu endlosen Pendlerstaus. Ein steuerlich geförderter Unsinn, der maßgeblich dazu beiträgt, dass in Deutschland täglich 130 Hektar Boden vernichtet werden. Jedes Jahr eine Fläche halb so groß wie der Bodensee.

„Subventionsabbau reloaded“. Der erste Teil des demnächst anstehenden Schauspiels wurde zu Beginn dieser Legislaturperiode schon einmal aufgeführt. Den Koalitionsgesprächen hatte Bundesfinanzminister Hans Eichel mit der „Liste der Grausamkeiten“ seinen Stempel aufgedrückt. Nach einem halben Jahr der Verunsicherung scheiterte das im Amtsdeutsch „Steuervergünstigungsabbaugesetz“ getaufte Paket im März im Bundesrat. Die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück hatten das Gesetz als Verhandlungsführer so weit eingedampft, bis nur noch eine Korrektur der handwerklichen Mängel der Unternehmenssteuerreform des Jahres 2001 übrig geblieben war.

Für dieses Scheitern sorgte auch die Strategie, den ökologischen Umbau des Steuersystems nach Art eines Trojanischen Pferdes unbemerkt ins Sparpaket einzuschmuggeln. Die Regierungskoalition hat nicht genügend Kraft auf die inhaltliche Begründung der Subventionskürzungen verwandt. Das hat jene fiskalische Perspektivenverengung in der Debatte begünstigt, die am Ende alle ökologischen Elemente des Steuerpakets tilgte. Diskutiert wurde nur noch über angebliche Steuererhöhungen, nicht über die Umwelt.

Der Beschluss des Bundeskabinetts in der Neuhardenberger Klausurtagung über das Vorziehen der Steuerreform hat wieder Bewegung in die Debatte gebracht. Weil sich die Union zwar der Haushaltssanierung verweigern konnte, aber auf keinen Fall bei der Steuerreform als Blockierer dastehen will, signalisieren Stoiber und Merkel erstmals Kompromissbereitschaft. Offen ist bisher, wie der Mix aus neuen Schulden, Privatisierungserlösen und Subventionsabbau aussehen wird, der als Gegenfinanzierung dienen soll.

Nachhaltigkeit in der Finanz- und Umweltpolitik heißt hier dasselbe: die zusätzliche Neuverschuldung minimieren und den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen maximieren. Eine kurzfristig höhere Verschuldung zur Stimulierung der Konjunktur wäre akzeptabel, wenn die strukturelle Entlastung künftiger Haushalte durch den Subventionsabbau entsprechend größer ausfiele. In vielen Fällen ist eine zeitlich verzögerte Wirkung von Subventionskürzungen unvermeidlich. Bis eine Streichung der Eigenheimzulage voll wirksam wird, vergehen wegen der bereits bestehenden Ansprüche acht Jahre.

Die bestehende Regelung der Eigenheimzulageist ökologisch grotesk

Eine lineare Kürzung aller Subventionen, wie sie von Koch und Steinbrück bis hin zur Grünen-Haushaltspolitikerin Antje Hermenau vorgeschlagen wird, wäre nur die zweitbeste Lösung. Das Streichen nach der „Methode Rasenmäher“ erfordert zwar weniger politischen Mut und Entscheidungswillen, dafür werden aber schützenswerte Orchideen und Unkraut gleichermaßen niedergemetzelt. Hingegen würde ein Grünschnitt im Subventionsdickicht der Umwelt und den Haushalten nützen.

Auf der Suche nach ökologisch schädlichen Subventionen könnte man noch vielfach fündig werden. Kaum zu glauben, dass dieses Jahr drei Milliarden Euro Steuergelder in die Förderung der deutschen Steinkohle gesteckt werden – nicht viel weniger als in die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen. Statt in die Zukunft wird in die Vergangenheit investiert. Auch eine prosperierende Volkswirtschaft sollte sich das nicht leisten, eine kriselnde darf es nicht.

Spätestens jetzt ist es an der Zeit, ökologisch schädliche Subventionen zu streichen. Angesichts durchweg negativer Entwicklung der globalen Umweltindikatoren ist der ökologische Umbau der Industriegesellschaften die einzige Chance, wirtschaftlichen Wohlstand dauerhaft mit den Grenzen des Wachstums zu vereinbaren. In einer Marktwirtschaft ist das ohne eine ökologische Definition der steuerlichen Rahmenbedingungen nicht denkbar. BORIS PALMER