Der Sieg des Ehrgeizlings

Mit 3:0 gewinnt der FC Porto das Endspiel der Champions League gegen den AS Monaco.Vor allem Trainer José Mourinho weiß, wem die Mannschaft das zu verdanken hat: ihm

AUS GELSENKIRCHENMATTI LIESKE

Es gibt Fußballtrainer, bei denen sieht man es nicht so gern, wenn sie gewinnen. Zum Beispiel José Mourinho. Ein bisschen zu aufdringlich versteht es der Coach des FC Porto, sich und seine Verdienste ins rechte Licht zu rücken. Auch nach dem Champions-League-Finale gegen den AS Monaco in der Arena AufSchalke ließ er keinen Zweifel daran, wer der universelle Mastermind hinter dem 3:0-Sieg seiner Mannschaft war. Mochte der neben ihm sitzende Deco zum „Man of the Match“ gewählt worden sein, der wahre Mann der Partie trug einen dunklen Anzug und hieß Mourinho. Und es gab sogar gute Gründe für diese Sichtweise. Deco hatte zwar ein paar hübsche Aktionen eingestreut und das entscheidende 2:0 geschossen, in erster Linie ist der FC Porto aber ein taktisches Organigramm, das hervorragend funktioniert und dem ebenfalls hervorragend funktionierenden Trainerhirn des José Mourinho entsprungen ist.

Wenn jemand behauptet, dass seine Mannschaft Erfolg hat, weil sie als Team auftritt, dann verheißt das meist nichts Gutes. Es bedeutet nämlich, dass diese Mannschaft gnadenlos defensiv ausgerichtet ist. Mourinho hatte sogar beide Finalisten in dieser Weise charakterisiert und damit begründet, warum Porto und Monaco anstelle hoch gehandelter Favoriten wie Real Madrid, AC Mailand oder FC Arsenal dieses Endspiel bestritten. Andere hätten vielleicht acht, neun Weltstars, aber die würden eben nur für sich spielen. Bei Porto und dem AS Monaco des Didier Deschamps sei das gänzlich anders.

Entsprechend verlief das Spiel. Beide Trainer vertrauten zunächst voll auf Sicherheit. Es entwickelte sich ein heißer Fight um die Dominanz am Mittelkreis, in die Nähe der Tore verirrte sich der Ball nur höchst ungern und mehr aus Versehen. Die Franzosen verfingen sich immer wieder in jener „Diamantformation“, auf die sich Mourinho so viel zugute hält – klar, hart, facettenreich, ein dichtes Netz von unaufhörlich in höchstem Tempo einherrennenden Spielern vor der Abwehrkette, wo jeder Fehler des einen Akteurs sofort von einem anderen ausgebügelt wird. Auf der anderen Seite gab sich auch die Defensive der Monegassen gegen die mit größter Vorsicht vorgetragenen Porto-Angriffe keine Blöße. Während Monaco darauf setzte, dem portugiesischen Beindschungel im Mittelfeld mit einem langen Pass auf den schnellen Giuly zu entgehen, hoffte Porto auf einen Geniestreich seiner filigranen Künstler Deco oder Maniche.

Kleinigkeiten würden dieses Match entscheiden, hatte Mourinho zuvor prophezeit, und auch da sollte er Recht behalten. Giulys frühe verletzungsbedingte Auswechslung gegen den Kroaten Prso „veränderte das ganze Spiel“, so Mourinho, „danach konnten wir viel besser nach vorn gehen“. Und dann natürlich das überraschende 1:0 noch vor der Halbzeit, das dem 19-jährigen Carlos Alberto aus ziemlich heiterem Himmel gelang. Der junge Stürmer spielte als Spitze anstelle des besten Porto-Torschützen Benni McCarthy und hatte bis dahin in der Liga erst einen Treffer erzielt. Auch hier hatte Mourinho also alles richtig gemacht. „Die Aufstellung habe ich schon vor einem Monat beschlossen, gleich als klar war, dass es Monaco ist“, räumte der 41-Jährige jeden Zweifel daran aus, er könne jemals Zweifel gehabt haben an dem, was er tut.

„Unser Tor hat das Gleichgewicht des Spiels zerstört“, dozierte Mourinho, der nach der Pause nur noch auf Defensive setzte und den Torschützen bald gegen den erfahrenen russischen Mittelfeldmann Alenitschew auswechselte, um „mehr Stabilität“ zu schaffen. „Meine Mannschaft war noch nicht richtig meine Mannschaft“, führte er später aus. Hätte Monaco, das nach dieser Maßnahme mächtig aufkam, den Ausgleich geschossen, wäre Portos Trainer sicher in heftige Kritik geraten, doch auch diesmal war das Schicksal auf seiner Seite. Schiedsrichter Nielsen übersah großzügig ein Foul, und während die Monegassen auf den Pfiff warteten, zog Porto in aller Ruhe einen Konter auf, den Deco zum 2:0 abschloss. Die kleinen Dinge eben, oder, wie Deschamps bemerkte: „Einige Episoden sind nicht zu unseren Gunsten gelaufen.“

Dafür zugunsten von José Mourinho der kaum müde wurde, über sich und seine Zukunft zu reden, obwohl er ständig betonte, er wolle heute nicht darüber reden. „Vor vier Jahren war ich noch in Leíria, jetzt bin ich Europacupsieger“, sagte der portugiesische Shooting-Star am Trainerfirmament stolz, ohne jedoch die gewohnte Leichenbittermiene eines überführten Trickbetrügers abzulegen. Ein Lächeln kommt für den überzeugten Ehrgeizling nicht in Frage, es könnte ja als Zufriedenheit mit dem Erreichten ausgelegt werden. „Wenn ich mir die großen Trainer ansehe: viele arbeiten seit zwanzig Jahren und haben noch nie so etwas gewonnen.“

Mourinho hat zuletzt alles gewonnen, sieht man einmal vom kleinen Schönheitsfehler des kürzlich verlorenen Pokalfinales gegen Benfica ab. Zweimal Meister, einmal Pokalsieger, Uefa-Cup, Champions League. Dass ihm das nicht reicht, daran ließ er keinen Zweifel. „Wenn ich in zehn Jahren immer noch die gleichen Pokale habe, werde ich sehr traurig sein.“ Deshalb will er weiterziehen. Der FC Porto war sein Sprungbrett in die große Fußballwelt, jetzt hat der FC Porto seine Schuldigkeit getan. „Ich habe dem Klub alles gegeben, aber nun möchte ich Porto verlassen“, verkündete Mourinho theatralisch, mochte aber eigentlich gar nicht darüber reden, um seinen Spielern nicht die Laune zu verhageln. „Es ist besser, eine schöne Erinnerung zu haben als eine traurige.“ Wie könnten die Profis auch nicht todunglücklich sein, wenn er sie verlässt.

Nächste Saison wird Mourinho wohl den FC Chelsea betreuen, jene acht, neun Weltklassespieler also, die nur für sich spielen. Ein echter Prüfstein, sowohl was Mannschaft und Verein als auch was die englische Presse betrifft, die ihn derzeit noch samtpfötig ancharmiert. Auch daran wollte Mourinho aber nicht denken, sondern nur den Triumph genießen. „Dieser Moment ist so süß“, sagte er und blickte drein, als lese er die Jahresbilanz einer Schraubenfabrik vor.

Es gibt Trainer, die sieht man nicht gern verlieren. Zum Beispiel Didier Deschamps. Dessen Team hat in kurzer Zeit Meisterschaft und Europapokal verloren. „Die Spieler hätten mehr verdient gehabt nach dieser tollen Saison“, sagte Deschamps leise. Auch er wird noch viel gewinnen in seiner Trainerkarriere. Geredet hat er darüber nicht.