: Im Wettlauf um den Markt des Südens
Die Staats-und Regierungschefs der EU suchen mit ihren Kollegen aus Lateinamerika und der Karibik Wege zur Einrichtung einer Freihandelszone. Die Zeit drängt, denn auch die USA wollen für ihre Unternehmen freien Zugang von Alaska bis Feuerland
AUS GUADALAJARA WOLF-DIETER VOGEL
Premiere für die erweiterte Europäische Union: Auch die Repräsentanten der zehn neuen EU-Mitglieder sind dabei, wenn sich am heutigen Freitag mehr als 50 Staatsoberhäupter, Vizechefs und Minister zum 3. Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU, Lateinamerikas und der Karibik treffen. Auf dem Programm im mexikanischen Guadalajara steht unter anderem auch die Reform des UN-Sicherheitsrates. Es gelte, einen „effektiven Multilateralismus“ zu erarbeiten, „der eine neue Weltordnung schaffen hilft“, sagte Martha Bárcena, Sprecherin des mexikanischen Außenministeriums, der taz.
Schon seit dem letzten Wochenende finden in Guadalajara Gespräche zwischen Vertretern der 58 beteiligten Staaten statt. Dort stehen jedoch wirtschaftspolitische Fragen im Vordergrund. Nachdem mit Mexiko und Chile bereits ein Freihandelsabkommen besteht, will die Europäische Union noch in diesem Jahr einen solchen Vertrag mit dem Mercosur, dem „Gemeinsamen Markt des Südens“ von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay abschließen.
Auch mit dem Andenpakt von Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Venezuela und Peru sowie den Staaten Zentralamerikas planen die Europäer ein Abkommen zur Liberalisierung der Märkte. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der bereits am Mittwoch nach Mexiko gereist war, wird sich dort auch mit den Repräsentanten des Andenpakts, der Zentralamerikagruppe sowie mit den Präsidenten Argentiniens und Brasiliens, Néstor Kirchner und „Lula“ da Silva, treffen.
Der Gipfel könnte nach Einschätzung von EU-Handelskommissar Pascal Lamy „die letzte Etappe der Verhandlungen der EU und des Mercosur einleiten“. Schon jetzt ist die Europäische Union der wichtigste Handelspartner des „Markts des Südens“. 25 Prozent der Mercosur-Exporte gehen nach Europa. Unternehmen aus der EU haben in Argentinien im großen Stil staatliche Dienstleistungsbetriebe aufgekauft. In Brasilien sind allein über 2.000 deutsche Firmen ansässig.
Mit einem Freihandelsabkommen erhoffen sich die Europäer weitere Investitionen in den Dienstleistungsbereich und Aufträge im öffentlichen Beschaffungswesen. Argentinien und Brasilien setzen ihrerseits auf eine europäische Marktöffnung für ihre Agrarprodukte. Doch ob es dazu kommen wird, ist sehr ungewiss. Vor allem die Weigerung der USA und der EU, ihre Schutzzölle für Importwaren sowie ihre Agrarsubventionen abzubauen, ließ im vergangenen Herbst die Welthandelskonferenz in Cancún scheitern.
Vor zwei Wochen kündigten die Europäer nun ihre Bereitschaft an, die Hilfen für die heimischen Bauern zu streichen. „Vorausgesetzt, auch Konkurrenten wie die USA, Australien oder Kanada stellen ihre Exportbeihilfen zur Disposition“, sagte EU-Sprecher Philip Dupuis der taz. Damit ist aber nicht zu rechnen, zumal ein ähnlicher Vorschlag bereits auf der Cancuner Konferenz scheiterte. Mit Lula und Kirchner wird jedoch ohne einen Subventionsabbau kein Freihandel zu machen sein.
Dabei stehen die Europäer unter Druck. Bis Anfang nächsten Jahres will die US-Regierung einen Vertrag über eine Gesamtamerikanische Freihandelszone (FTAA) von Alaska bis Feuerland unter Dach und Fach haben. Sollte dies passieren, bevor das Freihandelsabkommen EU-Mercosur zustande kommt, „könnte für die europäische Wirtschaft der Zug abgefahren sein“, befürchtet Heinz Mewes, der Direktor der Dresdner Bank Lateinamerika.
Ähnliche Erfahrungen musste die EU schon einmal machen. Nachdem die Nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) der USA, Kanadas und Mexikos 1994 in Kraft getreten war, ging die Handelsbilanz der Europäischen Union mit Mexiko um über die Hälfte zurück.
Das europäisch-mexikanische Abkommen vom Jahr 2000 konnte die Verluste wieder verringern. Dennoch gehen über 80 Prozent der Exporte Mexikos auf die andere Seite des Rio Grande. Billige Importe aus Nordamerika zerstören indes einige Bereiche der mexikanischen Wirtschaft.
Das ist einer der Punkte, den Globalisierungskritiker immer wieder bemängeln. Vertreter der Bewegung diskutieren seit Dienstag ebenfalls auf einem Kongress in Guadalajara. Für heute haben sie Protestaktionen angekündigt.