: Frischzellenkur für die direkte Demokratie
In einer „Planungszelle“ erstellten Bürger in Bayern Gutachten zur Gesundheitsreform. Tagung in Berlin
BERLIN taz ■ In Sachen direkter Demokratie liegen die Bayern vorn. Als erstes Bundesland hat der CSU-dominierte Freistaat ein direktdemokratisches Instrument auf Landesebene eingesetzt: die so genannte Planungszelle.
Selbst vom Noch-Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD), ernteten die Bayern diese Woche indirektes Lob für ihren Pioniergeist: Planungszellen seien „keine weltfremde Spinnerei“, sondern eine Hilfe zur Entscheidungsfindung für Repräsentanten und Verwaltung. „Planungszellen können das Vertrauen in die Politik stärken“, sagte Rau anlässlich einer Fachtagung zum Thema in Berlin.
Und die Bayern gehen weiter forsch voran. Nach einem Bürgergutachten für Verbraucherschutz vor zwei Jahren greift das bayerische Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz nun erneut auf die Planungszelle zurück: Rund 400 zufällig aus dem Einwohnermelderegister ausgewählte Bürgerinnen und Bürger wurden beauftragt, eine umfangreiche Empfehlung für die Reform des bayerischen Gesundheitswesens zu erstellen. Die Ergebnisse sollen im Juli vorliegen.
Planungszellen teilen sich in Arbeitsgruppen von jeweils 25 Personen, die während der Arbeitsphase wiederum in Kleinstgruppen von drei Personen aufgeteilt werden. Ein Rotationsprinzip soll gewährleisten, dass jeder möglichst die Meinungen aller anderen Teilnehmer gehört hat. Empfehlungen werden nur ausgesprochen, wenn sich über alle Planungszellen hinweg eine einheitliche Meinung bildet. Ist das nicht der Fall, werden im Gutachten auch die abweichenden Meinungen einzelner Arbeitsgruppen dokumentiert.
Bayerns Gesundheitsminister Werner Schnappauf (CSU) erwartet von der „Kompetenz und Konsequenz der Bürger als Akteure im Gesundheitssystem“, die in dem neuen Bürgergutachten zum Ausdruck kommen sollen, „wesentliche Bausteine für eine Reform von Dauer“. Die Langzeitwirkung der Planungszellen ist auch eines der starken Argumente ihres Erfinders, des Wuppertaler Professors Peter C. Dienel, der zu der Konferenz eingeladen hatte, die gestern nach zwei Tagen im Ernst-Reuter-Haus endete. Dienel listet mehr als fünfzig Fälle auf, in denen Planungszellen – zum Beispiel bei verhärteten Fronten in Stadtplanungsfragen – zu einer allseits akzeptierten Lösung verholfen haben. Und langfristig, meint der Planungszellen-Promoter, würde sich der Einsatz von Bürgergutachten auch rechnen: „Fehlentscheidungen von Politikern, die sich nicht an den Bürgern orientieren, kosten mehr, als eine Planungszelle je kosten kann.“
SEBASTIAN SEDLMAYR