Braunschweig blamiert

Die Bewerbung um die EU-Kulturhauptstadt wird von der niedersächischen Landesregierung offenbar als Flopp angesehen. Gemeinsam mit Bremen „hätten wir wenigstens das Fünkchen einer Chance gehabt“, heißt es im Umfeld der Landesregierung

Aus Hannover Kai Schöneberg

Sie sah gediegen aus: Großformatig, grau-orange, Tiefdruck. Viel Eindruck hat die Kulturhauptstadt-Bewerbung Braunschweigs offenbar dennoch nicht bei den Experten im Kulturministerium in Hannover geschunden. Sie brüten seit zwei Monaten darüber, ob sich das Land Niedersachsen mit Osnabrück oder mit der Region Braunschweig um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2010 bewirbt. „Braunschweig hat im Zuge des laufenden Verfahrens darum gebeten, Informationen nachzuliefern“, sagt Ministeriumssprecher Thomas Reiter auf Anfrage der taz. Man kann davon ausgehen, dass eigentlich das Ministerium um Nachbesserung gebeten hat. Reiter sagt nur, „vermutlich geht es um inhaltliche Profilschärfung“. Auf deutsch: die Brauschweiger Broschüre scheint ein Rohrkrepierer zu sein.

Braunschweig ist blamiert. Niemand in Hannover glaubt mehr daran, dass der prestige- und PR-trächtige Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“ nach Braunschweig geht. Weil man die Bewerbung in ihrer alten Form nicht am 30. Juni im Auswärtigen Amt in Berlin übergeben will, verschob das Kabinett seine Entscheidung von Mitte April auf den 22. Juni. Aus dem Umfeld der Landesregierung heißt es sogar, „wenn wir uns mit Bremen zusammengetan hätten, hätten wir wenigstens das Fünkchen einer Chance gehabt“. Potsdam oder sogar Essen/Ruhrgebiet hätten viel aussagekräftigere Schriften vorgelegt.

Jetzt rächt sich, dass sich CDU und FDP schon 2003 im Koalitionsvertrag auf die Stadt an der Oker festgelegt hatten. Die deshalb eigentlich aussichtslose Bewerbung Osnabrücks scheint mit ihrem Motto „Friedenshauptstadt“ viel mehr Symphatien in Ministeriumskreisen gewonnen zu haben. Braunschweig versuche zu sehr mit Neubauplänen zu klotzen, anstatt mit Visionen zu glänzen. Die Braunschweiger haben insgesamt 1,4 Millionen Euro in ihre Bewerbung investiert, Osnabrück hatte sich dagegen mit 100.000 Euro für eine bescheidene Schrift im Zeitungsformat begnügt. Auch düpierte der Auftritt des Braunschweiger Bewerbungs-Kurators Christoph Stölzl bei der Übergabezeremonie Anfang April in Hannover, der OB der Stadt Gert Hoffmann (CDU) war gar nicht erst erschienen. Auch Bewerbungskurator Stölzl hielt den Termin im Kulturministerium für nicht allzu wichtig: Nach knapp 20 Minuten rauschte er wieder ab. „Seitdem wurde er hier nicht mehr gesehen“, heißt es.

Vor allem aber inhaltlich scheint die Bewerbung Braunschweigs überhaupt nicht zu überzeugen. Das Oberthema „Zeitlandschaften“, das auf das Zusammenwachsen der Region anspielt, habe kein europäisches Format. Die kontinentale Vision fehlt den Ministerialen vor allem in Bezug auf die neuen Beitrittsländer in Osteuropa.

Auch im Umgang mit der drohenden Niederlage reagiert die Stadt auf Provinzniveau. Auf die Frage der taz, wie man nachlegen wolle, blockt das Rathaus ab. In einer Mail heißt es schlicht: „Wie die Bewerbungsschrift beurteilt und eingeschätzt wird, muss die Landesregierung selbst beantworten.“ Braunschweig warte die Entscheidung des Kabinetts ab. Man sei „nach wie vor optimistisch.“