Briten, Frauen und die Bewusstseinsindustrie

Anders als in Deutschland kommen Chefinnen im englischen Mediengeschäft tatsächlich langsam voran

BERLIN taz ■ Jedes Jahr, wenn der linksliberale britische Guardian seine „Media 100“-Liste der mächtigsten Medien-Menschen des Landes veröffentlicht, stellen sich drei Fragen: Ist Rupert Murdoch noch auf Platz Nummer 1? Wo bleiben die Frauen? Und warum macht in Deutschland eigentlich niemand eine solche Liste? (Zu Punkt 3 jetzt bitte, bitte keinen Verweis auf Focus.)

Punkt 1 ist verhältnismäßig leicht zu beantworten: Nein. Ist er nicht. Die „Media 100“ werden in diesem Jahr von Greg Dyke, dem Generaldirektor der BBC, angeführt. Denn der schafft es, mit seinem öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehimperium nicht nur die Marktführerschaft zu übernehmen. Sondern genauso, richtig gutes, anspruchsvolles Programm zu machen – wie höchst unterhaltsames „Lifestyle Television“ (dazu demnächst mehr auf dieser Seite). Und das übrigens mit im Vergleich zu Deutschland lächerlichen Gebührengeldern.

Rupert Murdoch folgt 2003 überraschend nur auf Platz zwei. Der Guardian-Jury, vier Frauen und vier Männern, dürfte wohl die jüngste Auseinandersetzung über die Haltung der BBC im Irakkrieg imponiert haben. Ein äußert diplomatischer Greg Dyke hatte sich hier „verwundert über die eindeutige politische Position“ der Murdoch-Sender wie Fox-News geäußert – und etwas deutlicher gewarnt: „Wir müssen uns absichern, damit wir nicht auch amerikanisiert werden.“

Auch bei Punkt 2 gebührt der BBC so etwas wie eine besondere Erwähnung: Erstmals in der bald 75-jährigen Geschichte der Corporation sind die Verantwortlichen für den Bereich Radio wie fürs Fernsehen – Frauen. Jana Bennett kontrolliert als Director of Television sämtliche Free-TV und digitalen Kanäle der BBC (mittlerweile 5), Jenny Abramsky tut selbiges in der Welt von Radio & Music. Dann wäre da noch Dawn Airey, die das Angebot, Chefin des größten Privatsenderverbundes ITV zu werden, ausschlug, um Rupert Murdochs Sky-Network zu managen.

Ein Blick auf Deutschland gefällig? Gut, wir haben die RBB-Intendantin Dagmar Reim (seit exakt zwei Monaten). Und nach Ansicht von FAZ-Feuilletonchef Frank Schirrmacher dank „Christiansen“, „Maischberger“ und „Berlin Mitte“ ein von Frauen kommuniziertes politisches deutsches Leben. Zugegeben, in der ARD-Nomenklatura hat auch eine „Tagesthemen“-Frontfrau wie Anne Will einen klingenden Titel: „Zweite Moderatorin“. Ob das reicht?

Bitte jetzt keine Hinweise auf die zahlreichen Fernsehdirektorinnen (nach dem Abgang des SFB keine!) oder Hörfunkdirektorinnen (3) der 10 ARD-Anstalten: Im Vergleich zur BBC sind das regionale Veranstaltungen, und beim bundesweiten ZDF kommen die ersten Frauen so was von spät („Programmbereich Kinder/Jugend“ oder „Kleines (!) Fernsehspiel“). „Das entscheidende Produktionsmittel zur Massen- und Bewusstseinsbildung in Deutschland liegt mittlerweile in der Hand von Frauen.“ (Schirrmacher) Hmmm. Und auch wenn es da noch die weiß Gott nicht einflusslose Friede Springer oder die jüngst vom Firmenpatriarchen Reinhard mit mehr Familienmacht belehnte Liz Mohn gibt: Im Bertelsmann- oder Springer-Vorstand sitzen sie beide nicht. Aus Großbritannien grüßen derweil Sly Bailey, Chefin der Verlagsgruppe Trinity-Mirror (unter anderem Daily Mirror) und Majorie Scardino, Vorstandsvorsitzende des Pearson-Konzerns (Financial Times, Buchverlag Penguin). Und dann wäre da noch die britische Entsprechung zu Bild: Bei der mächtigsten Boulevardzeitung, der Sun, heißt der Kai Diekmann – Rebekah Wade.

„Eine solche Akkumulation weiblicher Macht ist noch nicht dagewesen in der Geschichte des Landes“ (Schirrmacher – allerdings über Deutschland). Ob das irgendwie Punkt 3 erklärt? STG