Scherfiaden & Scherfesken, Folge 438
: Dem Henning sein Thomas

Deutschland durfte am Sonntag mal wieder über Henning Scherf staunen. Mit einer Werder-Fliege um den Hals und in Werder-Holzpantinen grinste der Bremer Bürgermeister vom Balkon des Rathauses, sogar die jüngst von Werder errungene Meisterschale zeigte der Politiker dem Volke. Könnte man sich so etwas bei den verkniffenen Stoibers oder Kochs dieser Republik vorstellen? Ach, unser Henning, denkt man sich da, der ist halt noch volksnah, charismatisch – und so ein authentischer Fußballfan.

Derart berauscht vom Werder-Hype ist der Regierungs-Chef, dass er jetzt statt dem Politikressort der Sport-Redaktion der Süddeutschen Zeitung ein furioses Interview gegeben hat, das mehr über die Kunst der politischen Inszenierung verrät als fünf kommunikationswissenschaftliche Studien zusammen: Schon der Einstieg raubt dem Leser fast den Atem: „Also ihr Lieben, worüber wollen wir reden“, begrüßt Scherf seine beiden Interviewer mit gespielter Opi-Naivität. „Über Fußball natürlich“, antworten die beflissen, worauf der abgebrühte Scherf laut SZ heißes Wasser in eine Kaffeetasse gießt und singt: „Deutscher Meister ist nur der SVW, nur der SVW!“ Scherf sollte im Verlauf des Interviews noch weitere zweimal unvermittelt anfangen zu singen: „Marmor, Stein und Eisen bricht“ nämlich und eine Fan-Hymne von Alemannia Aachen („Aber eins, aber eins das bleibt besteh‘n, die Alemannia wird nicht untergeh‘n“).

„Wir machen nur fröhliche, freundschaftliche Sachen“, charakterisiert Scherf in dem Gespräch sich und die Bremer – um ganz fröhlich und freundschaftlich die Popularität des Werder-Trainers Thomas Schaaf auszuschlachten. „Ja, mein lieber Thomas“, flötet Scherf (wieso um alles in der Welt ist das denn seiner?), „der war Klassenkamerad von meiner ältesten Tochter Caroline“. „Thomas“ sei heute Kult, und seine (also Scherfs) Tochter – hört, hört! – die sei Hochschullehrerin in London. Als die SZ später auch noch wissen will, wie sich Trainer Schaaf denn neulich beim privaten Abendessen mit Bundeskanzler Schröder im Park Hotel so angestellt habe, läuft dem Bürgermeister endgültig das Herz über. „Thomas macht das gut“, lautet das Scherf’sche Arbeitszeugnis. „Der gibt nicht an, drängt sich nicht auf, ist bescheiden.“ Und: „Der kann Englisch!“ Als Schaaf freilich noch „mit meiner Caroline im Englischkurs“ gewesen sei, „da war er noch nicht so gut“, petzt Scherf. „Aber er lernt immer weiter und ist gewachsen in der Aufgabe.“ Am Tisch mit dem Kanzler habe er Schaaf „genau beobachtet – es war nicht ein falscher Ton dabei.“ Selbst „über Dürer“ habe sich Schaaf unterhalten können, das finde er „wunderbar“, so der Bürgermeister. Und dann folgt noch so eine Scherfiade, die Thomas Schaaf runtergehen dürfte wie abgelaufene Milch : „Wir haben uns alle gefreut über ihn.“ jox