Abtreibung soll leichter werden

Eine Expertenkommission empfiehlt, die „Pille danach“ ohne ärztliche Beratung zu verkaufen. Dies entspräche der Praxis in vielen EU-Ländern. Medizinische Bedenken bestehen damit für das neue Präparat nicht mehr. Doch Bayern hat noch Fragen

von ULRIKE WINKELMANN

Diese Maßnahme dürfte vielen Verliebten das Wochenende retten: Die „Pille danach“ kann laut Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht rezeptfrei verkauft werden. Die bislang notwendige ärztliche Untersuchung entfällt – und damit auch das sams- oder sonntägliche Herumsitzen in Krankenhäusern.

Damit die Empfehlung umgesetzt wird, bedarf es einer Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums, die wiederum im Bundesrat abgesegnet werden muss. Meistens schließen sich die Beamten den Experten an. Gleichwohl hielt man sich im Ministerium gestern bedeckt: „Wir prüfen das noch“, erklärte eine Sprecherin. Unklar blieb gestern, ob die Zurückhaltung mit den laufenden Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition über die Gesundheitsreform zu tun hat.

Aus Bayern etwa ist bisher zwar Skepsis zu vernehmen, aber keine kategorische Ablehnung. „Ich sehe keinen Zusammenhang mit Konsensverhandlungen“, sagte Christoph Spindler, Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums, der taz. Natürlich aber werde Bayern verlangen, dass „noch eine Reihe von Fragen geklärt“ würden: Zum Beispiel, ob Frauen das Produkt ohne ärztliche Beratung sicher benutzen könnten. „Hier spielt auch der Aspekt Lebensschutz eine Rolle“, so Spindler.

„Mit Lebensschutz hat die ‚Pille danach‘ schon deshalb nichts zu tun, weil es sich bei ihrer Verwendung nicht um eine Abtreibung handelt“, sagt dagegen die Pro-Familia-Sprecherin Regine Wlassitschau. „Wir würden die Freigabe sehr begrüßen.“ Jedoch müsse dafür gesorgt werden, dass Frauen die „Pille danach“ nicht ahnungslos schluckten.

In den meisten Ländern Europas ist die „Pille danach“ bereits rezeptfrei zu bekommen. In England etwa wird sie seit 2001 in Drogerien an Frauen über 16 verkauft, in Frankreich wird sie seit Ende 2000 auch von Schulkrankenschwestern vergeben. Argument war hier wie dort, dass sich durch die „Pille danach“ Teenager-Schwangerschaften und Abbrüche verhindern lassen.

Auch in Deutschland sind deren Zahlen angestiegen – am stärksten bei den unter 15-Jährigen (Abbrüche im Jahr 1998: 453; im Jahr 2002: 761). Doch dies „war in unserer Debatte nachrangig“, sagte gestern Ulrich Hagemann vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm), der die Expertensitzung leitete. Der empfohlene Wechsel in die Verschreibungsfreiheit habe vor allem damit zu tun, dass die jüngste Generation der „Pille danach“ medizinisch praktisch unbedenklich sei. „Der Hormonhaushalt wird nur kurzfristig geringfügig beeinflusst“, sagte Hagemann. Für bereits bestehende Schwangerschaften gebe es keine Gefahr.

Bislang übliche Kombinationspräparate aus den beiden Hormonen Östrogen und Gestagen werden seit dem Jahr 2000 von einem Mittel verdrängt, das nur aus Gestagen besteht. Es muss zwölf bis 72 Stunden nach dem ungeschützten Sex eingenommen werden und verhindert die Einnistung eines Eies in der Gebärmutter.