Journalisten-Jagd

In Montenegro ist es noch immer lebensgefährlich, sich kritisch mit der Regierung auseinander zu setzen

Drohungen muss man ernst nehmen in Montenegro. Ehe der Verleger und Chefredakteur der oppositionellen Tageszeitung Dan („Tag“), Duško Jovanović, 40, am vergangenen Freitag von Unbekannten ermordet wurde, hatte er mehrere Morddrohungen erhalten. Trotz Begleitung durch einen Bodyguard war er in der Nacht zum Freitag nach einem Treffen oppositioneller Politiker auf dem Weg in sein Büro aus einem dunklen Fahrzeug heraus beschossen worden. Jovanović starb noch in der Nacht in einem Krankenhaus in Podgorica.

„Pressefreiheit gibt es in Montenegro nur auf dem Papier“, sagt der Journalist Velibor Ivanović, der inzwischen mit seiner Familie in Deutschland lebt, nachdem auch er mehrfach Todesdrohungen erhalten hatte. Ivanović hatte in den Tagen vor dem Mord mehrfach mit Jovanović telefoniert und über die aktuelle politische Situation gesprochen. „Jovanović riet mir, vorläufig noch nicht wieder nach Montenegro zurückzukehren.“

Hinter dem Anschlag vermutet nicht nur Ivanović den allmächtigen Geheimdienst Montenegros, dessen Mitarbeiter noch dieselben sind wie unter dem Milošević-Regime. Auch Premierminister Milo Djukanović zählt zu den alten Kadern. Ihm war von Dan erst vor kurzem die Verwicklung in Zigarettenschmuggel und Prostitution vorgeworfen worden. Ein Regierungssprecher beeilte sich darum am Wochenende, jeden vermuteten Zusammenhang zwischen dem Mord und der Kritik an der Regierung zu zerstreuen.

Dagegen listet der Journalist Velibor Ivanović eine ganze Reihe von Angriffen auf ihn und seine Kollegen auf, die direkt in Zusammenhang mit kritischer Berichterstattung stehen. „Wer über Skandale berichtet, in die hohe Polizeifunktionäre oder Politiker verwickelt sind, muss mit Repressalien rechnen“, sagt er.

Er hatte über den Raubbau und über staatlich legitimierte Umweltverschmutzung in den Naturparks Montenegros berichtet. Daraufhin wurde er von Unbekannten angegriffen und erhielt Morddrohungen. „Ich könnte eine ganze Reihe von Kollegen aufzählen, denen Ähnliches widerfuhr“, sagt Ivanović, „mal wurden sie mit Baseballschlägern zusammengeschlagen, das andere Mal ihre Bremsschläuche am Auto angeschnitten.“

Unterdessen sollen auch deutsche Gerichtsmediziner in Montenegro eingetroffen sein. Sie sollten ein Auto und mehrere Waffen untersuchen, die wahrscheinlich bei der Tat verwendet worden seien. Der VW Golf und die automatischen Waffen waren in der Nähe des Tatorts entdeckt worden. PHILIPP MAUSSHARDT