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Archiv-Artikel

Ledige Eltern sollen auch was kriegen

Regierung will Alleinerziehenden unter die Arme greifen. Problem: Verheiratete müssen gleichbehandelt werden

FREIBURG taz ■ Die Bundesregierung will allein erziehenden Eltern gezielt helfen, weiß aber noch nicht wie. Im Laufe dieser Woche sollen Gespräche zwischen Finanz- und Familienministerium stattfinden. Es geht um einen Ausgleich für den Wegfall des Haushaltsfreibetrags im nächsten oder übernächsten Jahr. Daneben ist ein Familienzuschlag für alle gering verdienende Eltern geplant.

Seit Mitte der 80er-Jahre wurden allein Erziehende steuerlich besonders gefördert. Doch 1998 wurde dies vom Bundesverfassungsgericht beanstandet. Es erklärte sowohl den pauschalen Haushaltsfreibetrag als auch eine besondere Möglichkeit zur steuerlichen Anrechnung von Kinderbetreuung für verfassungswidrig. Hier würden ledige Eltern gegenüber verheirateten Eltern bevorzugt. Stattdessen verlangte Karlsruhe eine steuerliche Besserstellung aller Eltern durch neue pauschale Freibeträge für Kinderbetreuungs- und Erziehungskosten.

Diese Reform plus deutliche Kindergelderhöhung hat der Bundestag inzwischen umgesetzt. Während verheiratete Eltern unter dem Strich fast durchweg profitierten, führt sie bei vielen allein Erziehenden jedoch am Ende zu einem Minus.

Um dies abzumildern, hat die Bundesregierung den Haushaltsfreibetrag nicht von heute auf morgen gestrichen, sondern sah ein Abschmelzen in mehreren Stufen bis zum Jahr 2005 vor. Die allein Erziehenden würden den Wegfall des Haushaltsfreibetrags kaum spüren, so die Idee, weil durch die große Steuerreform auch die Steuersätze gesenkt werden.

Nun soll aber die dritte Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2004 vorverlegt werden, und es stellt sich die Frage, ob deshalb auch der Rest des Haushaltsfreibetrags schon 2004 wegfallen soll. Zwingend ist das nicht, aber das gemeinsame Vorziehen einer positiven und einer negativen Regelung ist psychologisch nahe liegend. Eine gemeinsame Abwicklung beider Maßnahmen im Jahr 2004 würde sicherstellen, dass sich von 1,4 Millionen erwerbstätigen ledigen Eltern nur 300.000 beim Jahreswechsel finanziell verschlechtern. Dies sind vor allem Eltern mit einem Jahreseinkommen zwischen 20.000 und 40.000 Euro.

In den Gesprächen zwischen Familienministerin Renate Schmidt (SPD) und Finanzminister Hans Eichel (SPD) geht es nun darum, ob und wie auch für diese 300.000 Personen noch eine Kompensation gefunden wird. Die Grünen schlagen vor, dass Kinderbetreuung künftig bereits ab dem ersten Euro, nicht erst ab 1.500 Euro pro Jahr steuermindernd wirken soll. Dies müsste dann aber auch Verheirateten zugute kommen und würde deshalb 600 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Keine Kompensation für allein Erziehende ist der außerdem geplante Familienzuschlag bis zu 100 Euro pro Monat und Kind bei der neu konzipierten Sozialhilfe. Auf dessen Einführung hat sich Renate Schmidt bereits jüngst mit Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) verständigt. Danach sollen Geringverdiener, die zwar ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten können, aber nicht den ihrer Kinder, einen „Familienzuschlag“ bekommen.

Dies entspricht im Wesentlichen dem Kindergrundsicherungsmodell der Grünen. Zwar würden auch von dieser Maßnahme viele allein Erziehende profitieren, aber sie käme gleichermaßen auch schlecht verdienenden verheirateten Eltern zugute. CHRISTIAN RATH