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Archiv-Artikel

Ausgewiesene Terrorismusexpertin

Die US-Amerikanerin Sidney Jones muss Indonesien verlassen, weil sie in ihren Analysen Dinge beim Namen nennt

Die Nachricht kam nicht völlig überraschend: Schon vor Tagen war Sidney Jones angedroht worden, dass sie möglicherweise Indonesien verlassen muss. Seit dem späten Dienstagabend ist es amtlich: Jones, Leiterin des Jakarta-Büros der renommierten „International Crisis Group“ (ICG), und eine australische Kollegin müssen Indonesien bis zum 10. Juni verlassen.

Offiziell heißt es, Jones habe Einwanderungsbestimmungen verletzt. Aber Indonesiens Autoritäten spielen nicht mit offenen Karten. Bis heute begründete niemand der 52-jährigen US-Amerikanerin gegenüber, warum sie ausgewiesen wird. Vergangene Woche war durchgesickert, dass bei einem Treffen des nationalen Geheimdienstes und eines parlamentarischen Komitees für Sicherheitsfragen „ernsthafte Anschuldigungen“ gegen Jones und die ICG erhoben wurden. Ihre Berichte sollen als „inakkurat“ und „unausgewogen“ bezeichnet worden sein.

Die Indonesien- und Terrorismusexpertin Jones vermutet hinter ihrem Rauswurf mehrere von ihr verfasste kritische ICG-Länderberichte. So hatte ICG in den vergangenen zwei Jahren immer wieder den halbherzigen Umgang der Politik mit dem regionalen Terrornetzwerk Jemaah Islamiyah angeprangert wie auch die von indonesischen Militärs begangenen Menschenrechtsverletzungen in den Provinzen Papua und Aceh.

Jones’ Ausweisung scheine „in direktem Zusammenhang“ mit ihrer kritischen Berichterstattung über Indonesien zu stehen, mutmaßte gestern auch ihr früherer Arbeitgeber, die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die mediengewandte Jones ist dafür bekannt, Dinge beim Namen zu nennen, wie sie dies auch in Stellungnahmen gegenüber der taz immer wieder tat. Ihre Statements gegenüber Journalisten sind präzise, fast zu schnell zum Mitschreiben und klingen mit ihrer tiefen Stimme wie Gewehrfeuer.

Die fließend Indonesisch sprechende Amerikanerin arbeitete 14 Jahre für Human Rights Watch, wo sie zuletzt Chefin der Asien-Abteilung war. Von Dezember 1999 bis Juli 2000 leitete sie ein UN-Menschenrechtsprogramm in Osttimor. Im Mai 2002 begann sie ihre Arbeit im Jakarta-Büro der ICG. Die Organisation mit Hauptsitz in Brüssel erstellt regierungsunabhängige Konfliktanalysen und wird von Australiens Exaußenminister Gareth Evans geleitet.

Sollte es tatsächlich zum Rauswurf kommen, kommentierte eine energische und nicht im Mindesten eingeschüchterte Jones bereits vergangene Woche, sei dies ein „Rückfall in eine dunklere Ära“ Indonesiens. Schließlich hatte Geheimdienstchef Abdullah Hendropriyono 20 Mitarbeiter indonesischer und ausländischer Nichtregierungsorganisationen inklusive Jones völlig ungeniert als Sicherheitsrisiko für das Land vor der Präsidentenwahl am 5. Juli bezeichnet. „Zuerst war ich völlig am Boden zerstört“, erklärte Jones gestern. „Jetzt bin ich einfach nur wütend.“ NICOLA GLASS