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Archiv-Artikel

Enthusiastische Soundorgien

Pat Metheny und Dave Holland waren zwar „Artists in Residence“ bei der JazzBaltica in Salzau, tatsächlich aber stand der musikalische Austausch im Vordergrund

Das Konzept der JazzBaltica, zwei Superstars einzuladen und in mehreren Konzerten zu präsentieren, ist aufgegangen

24 Konzerte in vier Tagen, gleich zwei „Artists in Residence“ und eine Publikumsauslastung nahe 100 Prozent – erst weit nach Mitternacht endete am Sonntag die diesjährige JazzBaltica im schleswig-holsteinischen Kulturzentrum Salzau bei Kiel. Die Hamburger Kulturbehörde dürfte das glanzvolle und dennoch nicht anspruchslose Festival voller Neid betrachten. Denn das Konzept der – im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival veranstalteten – JazzBaltica, passend zum Motto „Gitarre und Bass“ die zwei Superstars Pat Metheny und Dave Holland einzuladen und in mehreren Konzerten über die gesamte Festivaldauer zu präsentieren, ist aufgegangen.

Erfreulicherweise dominierten die Big Names nur auf den ersten Blick das Programm. So bewies Pat Metheny schon am Donnerstag beim Konzert des Kiel Trio, dass für ihn der Austausch mit neuen Musikerkollegen im Mittelpunkt stand. Seine deutschen Partner Martin Wind und Jochen Rückert nutzten selbstbewusst die Chance zur intensiven Interaktion mit dem Superstar.

Dave Holland eröffnete am Freitag das Festival im ländlichen Salzau mit seinem vielfach preisgekrönten Quintett. Von seinem ehemaligen Arbeitgeber Miles Davis hat sich der 57-jährige Bassist das Bandkonzept abgeschaut: Seinen Musikern lässt er viel Raum zur Entfaltung und formt aus ihren Ideen den Bandsound. Die Musik des Quintetts integriert so die schillernden Persönlichkeiten, ohne sie einzuengen oder zu zähmen.

Hohe Erwartungen weckte deshalb auch die Zusammenarbeit des Quintetts mit der Big Band des NDR im Abschlusskonzert am Sonntagnachmittag. Die Musiker aus dem Funkhaus Hamburg gehören zu den interessantesten Solisten Europas, die hier in einem überaus vielseitigen Ensemble versammelt sind. Das Konzert erfüllte die Erwartungen jedoch nicht. Zu deutlich blieb die NDR Big Band auf die Funktion als Klangkörper im Hintergrund beschränkt. Seine ganze Meisterschaft als Musiker und Komponist zeigte Dave Holland allerdings schon zuvor mit einem rund einstündigen Solokonzert, das die rund 1000 ZuhörerInnen in seinen Bann schlug.

Derart selbstgenügsame Auftritte bildeten allerdings die Ausnahme. Die Mehrzahl der Konzerte zeigte vielfältige Begegnungen der eingeladenen Musiker. Das große Metheny-Finale am Sonntag geriet beispielsweise zum Medley mit zehn Beteiligten in ständig neuen Kombinationen. Dabei überzeugte auch Till Brönner, dessen „Blue Eyed Soul“-Programm im vergangenen Jahr noch gefloppt war, dieses Mal aber mit besonders fettem Groove vom JazzBaltica-Bassisten Lars Danielsson, der einen großartigen Rahmen für Methenys Ausflüge mit dem Gitarrensynthesizer bot.

Der Höhepunkt des Festivals war aber das letzte Konzert. Bereits zum vierten Mal war der Trompeter Roy Hargrove nach Salzau gekommen, diesmal mit seiner neuen Soul/Funk-Band im James Brown-Format. Zwischen P-Funk und „Bitches Brew“ groovte man sich langsam ein, um schließlich mit Sängerin, Bläsersatz und Schwindel erregenden Synthesizer-Orgien die Konzertscheune zum Kochen zu bringen. Schade nur, dass dieser enthusiastische Abend nicht anstelle des seichten Ethno-Pop von Gabin Dabire, Lokua Kanza, Dominic Miller, Pino Palladino und Omar Hakim in der DanceNight am Freitag stattfand. Doch da hatte zum Glück noch die tanzbare Rave-Show der Pariser Band noJazz die Stimmung gerettet. Ernst Grund