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Archiv-Artikel

Schachzug von Nepals König Gyanendra

Mit der Wiederernennung eines vor eineinhalb Jahren von ihm selbst abgesetzten Premierministers versucht der König den Forderungen der parlamentarischen Opposition ein Stück entgegenzukommen und sie zugleich zu spalten

DELHI taz ■ Nepals König Gyanendra hat am Mittowoch Sher Bahadur Deuba wieder zum Premierminister ernannt, der bereits gestern vereidigt wurde. Dabei hatte der König Deuba im Oktober 2002 wegen Inkompetenz abgesetzt und das Parlament aufgelöst. Damit vertiefte sich die politische Krise des Landes. Denn zur maoistischen Rebellion gesellte sich der Konflikt zwischen den politischen Parteien und dem Königshaus über die Frage der Aufstandsbekämpfung.

Dahinter verbarg sich ein Machtkampf zwischen der konstitutionellen Monarchie und dem Parlament. Während auf dem Land der Bürgerkrieg mit unverminderter Brutalität weiterging, sah die Hauptstadt eine wachsende Agitation der – mit Ausnahme der königstreuen RPP – fünf wichtigsten Parteien, mit Straßenprotesten und Massenverhaftungen.

Deubas Ernennung kommt zu einer Zeit eines traurigen Rekords: Die offizielle Zahl der Gefallenen im achtjährigen Krieg zwischen Armee und Maoisten hat 10.000 erreicht. Dies ist nur eine Wunde dieses gewalttätigen Konflikts. Denn dazu gehören auch zerstörte Dörfer und Ernten, tausende vertriebener oder verschleppter Menschen sowie Plünderungen. 400.000 Menschen gelten als interne Flüchtlinge.

Während sich die Regierung schwere Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen lässt, wie das Verschwinden von Häftlingen oder Folterungen, werden die Maoisten für schwere körperliche Gewaltakte verantwortlich gemacht, darunter Verstümmelungen von Gliedmaßen bei zahlreichen Zivilisten, die von den Maoisten als Spione oder Handlanger des Staats betrachtet werden.

Die physischen Zerstörungen in einem der ärmsten Länder der Welt sind nicht minder schwer. Laut Schätzungen sind etwa ein Drittel der rund 4.000 Gebäude des Dorfentwicklungskomitees – die Basisinfrastruktur des Staates – zerstört. In fast jedem der 74 Bezirke des Landes sind Fernmeldemasten, Brücken und Elektrizitätsanlagen teilweise oder vollständig zerstört worden. Weite Gebiete sind von der Außenwelt abgeschnitten.

Der Konflikt zeigt keine Ermüdungserscheinungen. Allein seit dem Zusammenbruch der Gespräche im August 2003 wurden fast 2.500 Menschen getötet, ein Indiz, dass der Einsatz von modernen und immer schwereren Waffen auf beiden Seiten zugenommen hat. In zwei Großangriffen Anfang und Ende März haben die Maoisten erstmals Raketenwerfer, Granaten und Schnellfeuerwaffen eingesetzt. Die Angriffe zeigen auch eine geografische Ausweitung der Operationen in die Terai-Ebene, wo Nepals meiste Industrien angesiedelt sind.

Bisher scheiterten Bemühungen um einen Waffenstillstand. Vor kurzem appellierte Pushpa Kamal Dahal, der unter dem Kriegername „Prachanda“ operierende oberste Kommandant der Maoisten, an die UNO, als Vermittler einzugreifen. Das wies die Regierung umgehend zurück mit dem Hinweis, von Dritten sei keine Vermittlung gewünscht. Sie vermutet ohnehin, dass ein solcher Waffenstillstand höchstens taktischer Natur wäre, um der Guerilla Gelegenheit zu geben, ihre Ränge zu füllen und sich neu zu formieren.

Zudem festige der militärische Konflikt paradoxerweise die Macht von König Gyanendra, meint der Journalist Deepak Thapa, auch wenn die Armee die Maoisten militärisch nicht besiegen kann. Denn der Bürgerkrieg mache das Königshaus in Ermangelung einer gewählten Regierung und eines funktionierenden Parlaments zum einzigen Machtzentrum. Die Armee wird zur königlichen Prätorianergarde.

Damit wird der Bürgerkrieg durch den politischen Konflikt zwischen Königshaus und Parteien noch verschärft. Die fünf wichtigsten Parteien haben ein Jahr erfolgloser Proteste hinter sich. Sie fordern die Wiedereinstellung der vor zwei Jahren abgesetzten Regierung und die Einberufung des Parlaments. Mit der Berufung Deubas scheint der König dieser Forderung nachzukommen. Doch Deuba war nicht die Wahl der Fünfer-Allianz. Vielmehr spitzt seine Ernennung die internen Rivalitäten zu und ist damit nicht mehr als ein Schachzug des Königs, um die parlamentarische Opposition zu schwächen. Gyanendra kann damit auch die Forderung der Opposition unterlaufen, die königlichen Verfassungsrechte zu beschneiden. BERNARD IMHASLY