Jazz, Jazz, Jetzt

Alle Bandmitglieder der New-Orleans-Jazz-Combo „La Foot Creole“ sind über 60. Ihre Musik ist noch älter. Dennoch sind es hauptsächlich Zwanzigjährige, die sich jeden Mittwochabend in den Keller des Zosch drängeln, um die Band zu sehen

VON PHILIPP SAWALLISCH

In Helge Schneiders Film „Jazz Club“ sagt es der schwarze Schlagzeuger seinen beiden Bandkollegen immer wieder: „Jazz. Jazz. Jazz.“ Diese drei Worte vermögen es, die Musiker aus der Tristesse der Mühlheimer Fußgängerzone zu entführen.

Etwas von dieser magischen Kraft des Jazz spürt man Mittwochabends, wenn die New-Orleans-Jazz-Band „La Foot Creole“ das Zosch in einen Jazzkeller verwandelt. Wider Erwarten sieht man hier kein älteres Publikum beim Glas Wein sitzen, sondern ein munteres Gedränge von unter Fünfundzwanzigjährigen. Leute schieben sich mit überschwappenden Gläsern an dicht besetzten Bierbänken vorbei und Rauchschwaden ziehen durch die Luft und klettern die rohen Mauern entlang. Als auf der Bühne die ersten Töne erklingen, hüpfen in der ersten Reihe zwei Mädchen auf und klatschen in die Hände.

Die Musik von Foot Creole lebt von kräftigen Bläsern, eingängigen Melodien und schwungvollen Rhythmen. So spielten die Bands um Louis Armstrong den New-Orleans-Jazz schon in den 20er-Jahren. Entstanden ist die Musik auf der Straße. Nach der Sklavenbefreiung gründeten sich die ersten „marching bands“, die zu feierlichen Anlässen im Stil französischer Marschkapellen durch ihre Viertel zogen. Die Bands der Schwarzen unterlegten die Marschmusik mit einem afrikanischen Rhythmus, legten ein wenig Blues und Ragtime hinein und schufen somit den New-Orleans-Jazz.

Während im neueren Jazz ein Solo das vorige ablöst, geht es beim New-Orleans-Jazz um einen druckvollen Sound, den die ganze Band erzeugt. Zu diesem Bandcharakter gehört auch der Verzicht auf Improvisationen. Das macht den New-Orleans-Jazz so leicht zugänglich. Doch gerade in der Einfachheit des New-Orleans-Jazz liegt der Grund, warum er kaum noch gespielt wird. „Die meisten wollen zeigen, was sie können“, meint Raimer Lösch, Trompeter der Band und mit seinen 64 Jahren Urgestein der Berliner Jazzszene. „Sie wollen variieren und improvisieren.“

Den jungen Leuten scheint es zu gefallen, dass sie keine komplexen Harmonien durchsteigen müssen, sondern mitwippen, summen und klatschen können, sobald die Musik einsetzt. Im Laufe des Abends lösen sich im Publikum einige Jungs und Mädchen aus ihren Gruppen und beginnen zu tanzen. Jetzt hält es auch die Musiker nicht mehr auf ihren Stühlen und unter Jubel aus dem Publikum spielen Trompete, Posaune und Klarinette im Stehen weiter.

„So gibt es das nur im Zosch“, sagt Raimer Lösch, „in den Läden, in denen wir sonst spielen, sitzen nur alte Hasen.“ Raimer Lösch weiß als dieser allerhand zu erzählen von einem Leben, das ganz und gar dem Jazz galt. Dabei folgte Raimer Lösch der Maxime, die ihm Anfang der Sechziger der langjährige Schlagzeuger von Louis Amstrong, Paul Barbarin, mitgab: „That one should do what one likes to do best.“ Raimer Lösch lebte damals in den USA, wo er mit den Pionieren des Jazz spielte. Sie erzählten ihm bei Reis und Bohnen von den Rotlichtbars, in denen alles begann, aus einer Zeit, als die Weißen Jazz noch mit Bums übersetzten. Zurück in Deutschland gründete er seine eigene New-Orleans-Jazz-Band und spielte mit ihr auf Festivals in Europa und natürlich in New Orleans.

Daran, irgendwann aufzuhören, denkt Raimer Lösch nicht. Denn Barbarins Maxime, das zu tun, was man am liebsten tut, hat noch einen Nachsatz: „to the very end“. Raimer Löschs Zukunft wird also wie seine Vergangenheit mit der Bühne zusammenhängen. An eine lange Zukunft des New-Orleans-Jazz glaubt er nicht. „Wenn wir ihn nicht mehr spielen, wird ihn keiner mehr spielen. Die Leute meiner Generation sind ja schon Imitatoren der alten Heroen, aber wir haben mit denen gespielt. Die Jungen besitzen ja nicht mal deren Platten. Wie sollen sie also diese Musik spielen?“

Gegen ein Uhr morgens ist die Luft im Zosch feucht. Die Band macht Anzeichen, demnächst zu gehen, aber niemand will sie gehen lassen. Rufe nach Zugaben werden laut, es wird gepfiffen, und geklatscht. Die Vorstellung, dass diese Musik einmal in Vergessenheit geraten könnte, erscheint hier weit weg. So weit weg wie den Männern in Helge Schneiders Film die Mühlheimer Fußgängerzone, wenn sie die Worte hören: Jazz. Jazz. Jazz.

La Foot Creole, mittwochs ab 22.30 Uhr im Zosch. Tucholskystr. 30, Mitte. Eintritt frei