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Archiv-Artikel

Dann besser gar nicht

Nur drei Lehrerstunden für eine Woche Ganztagsschule: Interessenverband und Elternräte fordern Rücknahme des neuen Ganztagsschulkonzept

von Kaija Kutter

Als „lächerlich“ hat Gisela Ratjens vom Hamburger Ganztagsschulverband (GGT) gestern die geplante Ausstattung der künftigen Ganztagsschulen bezeichnet. Wie berichtet soll diese bei den 37 bestehenden Ganztagsschulen der Hansestadt um 60 Prozent gesenkt werden. „Danach können sich Eltern nicht einmal darauf verlassen, dass die Kinder in der Schule betreut sind“, befürchtet Ratjens.

So reiche beispielsweise an ihrer Schule Ludwigstraße im Schanzenviertel die zugebilligte Zeit nicht mal mehr für die Beaufsichtigung des Mittagessens in den Klassen. Für den Nachmittag blieben einer Grundschulklasse nur noch zehn Stunden pro Woche, wovon höchstens drei von einer Lehrkraft gegeben, drei durch Erzieher und vier durch billige Honorarkräften abgedeckt werden sollen.

Ratjens forderte gestern im Namen des Ganztagsschulverbandes (GGT) die Bildungsbehörde auf, die entsprechende Drucksache zurückzuziehen und nicht in der Deputation verabschieden zu lassen. Stattdessen solle eine gemeinsame Kommission neue Rahmenrichtlinien erarbeiten. Doch ein entsprechendes Gesprächsangebot des GGT an Senatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) sei nicht einmal beantwortet worden. Zugleich fordert der Verband alle bestehenden Ganztagsschulen auf, zu „prüfen“, ob sie ihren Status unter diesen Bedingungen zurückgeben. Und allen neuen Schulen rät der GGT davon ab, Ganztagsschule zu werden.

„Mit einer Kürzung von 20 Prozent haben wir gerechnet. Die jetzigen 60 Prozent sprengen alle unsere Befürchtungen“, erklärte der Elternratsvorsitzende der Ludwigstraße, Frank Börnsen. Die Eltern sehen sich nicht in der Lage, die Streichung von Pädagogen zu kompensieren. „Nur Lehrer bauen den Stoff aus, das können wir Eltern nicht leisten“, erklärt Cornelia Prüter-Rabe von der Ganztagsschule Hegholt (Barmbek).

Zudem würden für Honorarkräfte nur 15 Euro geboten, eine Summe, für die niemand, der „fachlich was drauf hat“ zur Verfügung stehe. „Die meisten bei uns sind wie ich allein erziehend und haben keine Zeit“, ergänzt Sabine Arnold von der Altonaer Theodor-Haubach-Schule. Sie hat für ihre Schule errechnet, dass von 72 Lehrerstunden pro Woche lediglich 28,8 übrig bleiben würden.

Keine Klage kam gesten von den Gymnasien. Hier wird die Kürzung durch die Ausweitung der Stunden für das Abitur nach zwölf Jahren abgefedert. Es werde künftig in Hamburg „zweierlei Schüler“ geben, erklärt der GGT: „Gymnasiasten, die mehr Unterricht erhalten, und der Rest der Schüler.“ Während erstere „tüchtig lernen dürfen“, werden die anderen am Nachmittag nur „beschäftigt“. Oder sich – schlimmer noch – „wieder am Hauptbahnhof und ähnlichen Orten aufhalten“.