: Hart und hysterisch
Blühende Listen Europas (5): Ungarns „Arbeiterpartei“. Ihr Programm: Die Gesellschaft repräsentieren
Ungarns erster Europa-Wahlkampf hat wenig mit Europa, dafür viel mit Innenpolitik zu tun. Und die ist bei den Magyaren ein hartes, schmutziges Pflaster. Mitte April, lange vor Beginn der offiziellen Kampagne, hatte der israelische Wahlkampfberater der regierenden Sozialisten, Ron Werber, die oppositionellen Nationalkonservativen des Bundes Junger Demokraten als Faschisten beschimpft. Seitdem liefern sich die beiden größten Parteien des Landes nahezu täglich hysterische Wortgefechte: „Verkappte Kommunisten, die illegal Gastarbeiter beschäftigen“ seien die Sozialisten, „Antieuropäer“ die Jungdemokraten.
Dass es „bei dieser Wahl nicht um Europa geht“, hatte der Jungdemokraten-Chef Viktor Orbán schon vor Wochen erkannt. Es geht vielmehr um die Machtfrage: Die Umfragewerte der regierenden Sozialisten sind aufgrund ihrer allzu liberalen Wirtschaftspolitik in den letzten zwei Jahren stark gesunken, die Jungdemokraten könnten längst an der Macht sein. Zu deren großem Bedauern finden Parlamentswahlen erst wieder in zwei Jahren statt, sie hoffen jedoch, dass die Europawahl zu einer Art Misstrauensvotum wird, der den Regierungswechsel beschleunigt. Zu diesem Zweck legte Orbáns Partei kürzlich auch eine „nationale Petition“ mit einer Million Unterschriften vor, in der die Regierung aufgefordert wird dafür zu sorgen, dass die Ungarn auch unter EU-Bedingungen sicher und gesund leben und die Lebensmittel- und Energiepreise nicht ins Unermessliche steigen.
Die 24 Sitze, die Ungarn im Europaparlament erhält, werden die beiden großen Parteien wohl im Wesentlichen unter sich aufteilen. Kleine Parteien wurden schon aufgrund des aufwendigen Zulassungsverfahrens für die Wahlen an einer Teilnahme gehindert. Mindestens 20.000 gültige Unterschriften müssen Parteien oder Organisationen vorweisen, um antreten zu können. Eine Partei, die es mit Mühe und Not geschafft hat, ist die orthodox-kommunistische Arbeiterpartei, die seit Jahren eine dürftige außerparlamentarische Existenz fristet. Deren Chef, Gyula Thürmer, prahlt damit, dass in Wirklichkeit nur die Arbeiterpartei die Gesellschaft repräsentiere. „Nur wir haben auf unserer Liste zwei wirkliche Arbeiter“, verkündet Thürmer im Europawahlkampf immer wieder.
KENO VERSECK