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Archiv-Artikel

Ein Dickkopf versus Alibiflankentum

Die Geschichte eines nicht umblasbaren Zauberzwerges soll Wolfsburg verzücken: Mit dem Argentinier Andres D‘Allessandro kommt die bislang spektakulärste, weil teuerste, Neuverpflichtung. Der Kapitän von River Plate Buenos Aires befügelt neue Träume in der Autostadt

Wolfsburg taz ■ Das Urteil des Spielerbeobachters war eindeutig: „Wenn er annähernd das bringt, was ich gesehen habe“, sagte Jürgen Röber, „werden die Leute begeistert sein.“

Es ist ja nun nicht uncharakteristisch für den Trainer des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg, sich in Begeisterung zu reden. Nichtsdestotrotz muss man seine Freude über die Verpflichtung des argentinischen Kreativspielers Andres Nicolas D'Allessandro Ernst nehmen, die Röber am Samstagabend anzusehen war. Schnell abgehakt war das solide 2:0 über das bulgarische No-Name-Team Marek Dupnitza, mit dem der VfL die 3. Runde des UI-Cups erreicht hat (Tore: Petrov, 43., Munteanu 90.). Der Sommer ist die natürliche Zeit des Träumens. Und da redeten alle lieber über die „unglaublichen Dinger“ (Röber), die der neue Mann „draufhat“.

Es ist ein echter Coup, den Geschäftsführer Peter Pander da am vergangenen Freitag perfekt gemacht hat. D'Allessandro (22), Kapitän des argentinischen Meisters River Plate, stand schließlich auf der Liste diverser europäischer Fußballunternehmen. Jetzt unterschreibt er für fünf Jahre beim VfL Wolfsburg. Es handelt sich bis auf weiteres um den größten Transfer des Bundesliga-Sommers; was die Ablösesumme betrifft. Die Rede ist von neun Millionen Euro.

D'Allessandro ist Nationalspieler, Kapitän und Kopf River Plates und laut Eigenbeschreibung „keiner, der den Ball nur nach vorne kickt“. Landsmann Diego Klimowicz nennt den neuen Kollegen, den „besten offensiven Mittelfeldspieler Argentiniens“. Wenn er das bestätigt, passt es, denn eine zentral ordnende Nummer 10 hat Wolfsburg seit dem Abgang von Stefan Effenberg gefehlt. D'Allessandro könnte helfen, zwei Hauptziele von Röber umzusetzen: Die Verringerung der kraftraubenden Ballverluste durch unsinnige Alibiflanken und die Belebung des Kombinationsspiels.

Röber hatte ihn mehrfach selbst beobachtet. Also, er ist: Schnell, beidfüßig, zudem „läuft er unglaublich“. Er ist nicht grade groß (1,63 m), entsprechend leicht (53 kg), alles in allem: Eine Art „Zauberzwerg“, wie die Wolfsburger Lokalpresse charmant zusammenfasst. Dennoch keiner, den man umblasen kann, sagt Röber. In Argentinien, wo Abwehrspieler sehr körperbetont agieren, „mußt du schon besondere Qualitäten haben, um dich durchzusetzen“.

Nächsten Montag soll D'Allessandro in Wolfsburg eintreffen. Die Frage wird sein, wie er den Sommer ohne Pause verkraftet – und natürlich, wie schnell er sich integriert. Röber hat „nur kurz geredet“, hat aber erfahren, der Junge habe „schon seinen Kopf“. Manche unken: Dickkopf.

Die Verpflichtung ist übrigens ein erster Erfolg des „Kooperationsvertrages“ zwischen VfL und River Plate bzw. zwischen VW Deutschland und VW Argentinien, dem Trikotsponsor River Plates. Ein, zwei Talente sollen D'Allessandro noch gen Wolfsburg begleiten. Es handelt sich um eine Art „antizyklisches Investment“, wie Hannovers Präsident Kind das Geldausgeben in Zeiten des allgemeinen Sparens nennt. Der VfL Wolfsburg benennt damit seine Ansprüche, die Konkurrenz nimmts – argwöhnisch – zur Kenntnis, und der Erfolgsdruck erhöht sich erneut.

Sollte das gestreute Jahresgehalt hingegen stimmen (1,2 Mio Euro), relativiert sich die Ausgabe, und keiner der Kollegen müsste neidisch werden. Und wenn D'Allessandro zwei Jahre gut spiele, sagt der stets nüchterne Kapitän Stefan Schnoor, „dann kommt Real und kauft ihn für 30 Millionen“. PETER UNFRIED