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Archiv-Artikel

„Eine Militärintervention in Darfur ist keine Lösung“, sagt Annette Weber

Humanitäre Nothilfe ist wichtig, aber nicht ausreichend. Vor allem brauchen Sudan und Kongo lokale Friedensprozesse

taz: In Darfur im Westen des Sudan findet ein brutaler Krieg statt, Hilfswerke fürchten ein Massensterben unter Vertriebenen. Bei einer Darfur-Geberkonferenz letzte Woche wurden 120 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zugesagt, aber die UNO sagt, das reicht nicht. Ist die Hilfe für Kriegsopfer in Darfur vor allem ein Geldproblem?

Annette Weber: Nein. Der Konflikt in Darfur hat politische Gründe, nicht humanitäre, und kann daher nicht humanitär gelöst werden. Solange die politischen Ursachen nicht Kern der internationalen Verhandlungen zu Darfur bilden, wird Geld keine Lösung darstellen. Für effektiven humanitären Zugang zu Darfurs Kriegsopfern ist ein Schutzmechanismus nötig – Schutz für Zivilisten in Darfur und die Helfer. Sonst ist Hilfe nicht effektiv.

Was muss geschehen, damit die Hilfe hilft?

Die Regierung muss, wie von der internationalen Gemeinschaft gefordert, den Waffenstillstand einhalten, die Milizen entwaffnen, die Angriffe von Armee und Milizen beenden und Vertriebene vor den Milizen schützen.

Sind westliche Regierungen jetzt eher bereit zu handeln, um das durchzusetzen?

Die USA haben eine klare Priorität: den Friedensvertrag für Südsudan. George Bush will den endgültigen Friedensvertrag bis Ende Juli in Washington unterzeichnen lassen, und er will nicht, dass dann Darfur immer noch brennt. Also ist vorher Druck auf Sudans Regierung nötig. In Europa gibt es zwei Schulen. Eine, geführt von Großbritannien, sagt, dass man erst einmal das Südsudan-Abkommen stabilisieren muss, bevor andere Konflikte drankommen, weil man sonst überhaupt keine Fortschritte erzielen wird. Die andere, geführt von Deutschland und den Niederlanden, sagt, man kann mit der Lösung des Darfur-Konflikts nicht warten, bis der Friedensvertrag für Südsudan umgesetzt worden ist, denn es gibt keinen stabilen Frieden im Süden, wenn anderswo Konflikte weitergehen.

Wieso bekommt heute der Krieg in Darfur mehr internationale Aufmerksamkeit als in den letzten Jahren der nicht minder brutale Krieg in Südsudan oder die Kriege im Kongo? Ist Darfur ein Sonderfall?

Der Krieg in Darfur ist an sich kein Sonderfall. Das Muster ist das gleiche wie in Südsudan: Die Regierung rüstet unterschiedliche Milizen auf. Das Besondere war die Rede von Kofi Annan am 7. April zum 10. Jahrestag des Völkermordes in Ruanda. Er nannte Darfur und auch Ituri im Kongo als Beispiele dafür, wo Genozide drohen. Das hat Aufsehen erregt, obwohl Darfur und Ruanda nicht vergleichbar sind. Wenn man jetzt mit Geberregierungen über Darfur spricht, hört man immer wieder, dass wir kein zweites Ruanda zulassen können. So ist jetzt eine Eigendynamik da.

Zuweilen wird über eine internationale Militärintervention in Darfur spekuliert und neuerdings auch in Kivu im Osten des Kongo, wo es ebenfalls Kämpfe gab. Wäre das sinnvoll?

Militärintervention scheint immer die einfachste Lösung: Es gibt einen bewaffneten Konflikt, und den löst man mit einer bewaffneten Intervention. Tatsächlich löst man damit vielleicht schon etwas – aber nicht unbedingt das Problem, um das es ging. In Darfur und auch in Kivu geht es um die Umsetzung bereits unterschriebener politischer Vereinbarungen. Im Kongo gibt es gültige Friedensverträge, aber die Kriegsparteien haben ihre Armeen behalten. In Darfur gab es zwei Waffenstillstände, die Regierung erklärte sich bereit, die Milizen zu neutralisieren – aber sie nimmt einfach ihre Verantwortung nicht wahr. In beiden Fällen werden erst rivalisierende Milizen bewaffnet und dann kümmert sich niemand darum, die politischen Probleme zu lösen, die Milizen in eine Armee zu integrieren und in einem transparenten Verhandlungsprozess die lokalen Machtstrukturen zu klären.

In Sudan und Kongo haben Kriegsführer mehr zu sagen als die Bevölkerung. Wie kann man die zivile Logik gegenüber der militärischen stärken?

Es gäbe Lehren aus dem Südsudan. Dort gab es während des Krieges Friedenskonferenzen mit Vertretern der Zivilgesellschaft, der Frauen, der Kirchen, der Parteien. Die zivilen Kräfte haben dann die offiziellen Friedensverhandlungen für Südsudan kritisiert, weil sie nicht teilnehmen durften. In Kivu gab es lange eine sehr starke Zivilgesellschaft, aber viele ihrer Führer sind jetzt in die Übergangsregierung kooptiert worden und fehlen vor Ort. Das hat die Zivilgesellschaft geschwächt. Jetzt wäre es wichtig, dass auswärtige Vermittler in Kivu Verhandlungen zwischen den Warlords einberufen und die lokale Zivilgesellschaft einbeziehen.

Und in Darfur?

In Darfur gab es schon solche Ideen, aber weder die Rebellen noch Sudans Regierung sind daran interessiert. Man müsste den bewaffneten Gruppen sagen, dass man nicht behaupten kann, die Bevölkerung zu vertreten, wenn man sie nicht an Verhandlungen teilnehmen lässt. Im Südsudan zeigte sich, dass es Kommunikationskanäle gibt, die man öffnen und stärken muss – mit Hilfe von hier.

INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON