piwik no script img

Archiv-Artikel

Auch Flüchtlinge dürfen billig telefonieren

Kölner Hilfsorganisationen beklagen, dass Flüchtlingen immer öfter wegen „Missbrauchs“ die Sozialhilfe gestrichen werde – etwa wenn sie ein Handy besitzen. Dies soll sich jetzt ändern, verspricht Sozialdezernentin Marlis Bredehorst

Köln taz ■ Handy, Goldschmuck, Auto: Mit solchen „Wohlstandsattributen“ sollte man sich als Flüchtling in Köln besser nicht auf der Straße blicken lassen. Denn wenn die Polizei einen damit „erwischt“, wird konfisziert und der Fall an die so genannte „Clearingstelle“ im Sozialamt weitergeleitet. Und die streicht dann wegen „unerlaubter Einkünfte“ die Sozialleistungen – und zwar in der Regel gleich für die ganze Familie.

Das Asylbewerberleistungsgesetz sei eben besonders streng, erklärt die Kölner Sozialdezernentin Marlis Bredehorst (Grüne). Flüchtlinge, die danach Leistungen beziehen, dürften im Gegensatz zu „normalen“ Sozialhilfeempfängern überhaupt keinen Besitz haben. Wenn das Sozialamt daher solche Fälle von der Polizei gemeldet bekäme, müsste es dem nachgehen. „Natürlich hat das auch mit Haushaltspolitik zu tun“, gibt sie zu. In der Tat: So spart die Stadt wegen gesperrter Leistungen monatlich inzwischen rund 60.000 Euro, wie OB Fritz Schramma und Polizeichef Klaus Steffenhagen Anfang Mai stolz verkündet hatten.

Trotzdem will Bredehorst nichts davon wissen, dass die Kontrollen Teil einer gezielten Politik der Stadt seien und dass die Polizei in den letzten Monaten verschärft und systematisch nach „Missbrauch“ fahndet. Genau dies haben Kölner Hilfsorganisationen und Beratungsstellen allerdings beobachtet – und die Sozialdezernentin daher am Mittwoch Abend zum Gespräch ins Plenum des Kölner Flüchtlingsrates gebeten. Dort berichten mehrere Mitarbeiter in Beratungsstellen, dass derzeit nicht nur die Polizei rabiat vorgeht: Auch das Sozialamt konstruiere oft willkürlich Missbrauchsvorwürfe und verlange von den Flüchtlingen unmögliche Beweise dafür, dass sie wirklich „nichts“ besitzen. Und wenn die Leistungen einmal gestrichen seien, gelte das „so gut wie lebenslänglich“, selbst wenn etwa das „verbotene“ Auto längst verkauft sei, schildert ein Anwalt seine Erfahrungen. „Ich bitte Sie, mir solche Fälle von Behördenwillkür persönlich zur Kenntnis zu bringen. Dem werde ich nachgehen“, verspricht Bredehorst. Denn seitens der Amtsleitung gebe es keinerlei Anordnung, Flüchtlinge „besonders rigide“ anzufassen oder „Abschreckungspolitik zu betreiben“.

Ohnehin hoffe sie, dass solche „Einzelfälle“ bald der Vergangenheit angehören, wenn ab Herbst die komplette Flüchtlingsverwaltung im Bezirksrathaus Kalk zentralisiert werde. Das habe den Vorteil, dass dann rund 20 Mitarbeiter auf die Betreuung von Flüchtlingen spezialisiert werden könnten und man so eine „Einheitlichkeit auf korrektem Stand“ erreiche, die „solche Entgleisungen viel besser handhabbar macht“, ergänzt Ossi Helling, der sozialpolitische Sprecher der grünen Ratsfraktion.

Und noch eine „gute Nachricht“ verkündet Bredehorst an diesem Abend: Laut einer neuen Richtlinie vom April würden Handys künftig nur noch ab einem Wert von mehr als 200 Euro als unerlaubter Besitz angesehen. Auch am Körper getragener Schmuck habe die Polizei demnach nicht zu interessieren.

Dann kommt die Runde auf ein weiteres Problem zu sprechen: Flüchtlinge, denen die Leistungen gestrichen wurden, bekommen nämlich nur einen Krankenschein bei chronischen und akut behandlungsbedürftigen Krankheiten. Um das nachzuweisen, müsse man zum Arzt gehen – aber auch das werde vom Sozialamt oft nicht genehmigt, erzählt Claus-Ulrich Prölß vom Flüchtlingsrat. „Das führt dann dazu, dass sich Flüchtlinge irgendwelche Pillen zusammenleihen, wenn sie krank sind“, berichtet ein Diskussionsteilnehmer. Das dürfe natürlich nicht sein, findet die Sozialdezernentin – und schreibt fleißig mit. Gegen das Gesetz an sich sei aber leider nichts zu machen: „Ich kann höchstens meinen Mitarbeitern sagen: Seid großzügig!“Susanne Gannott