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Archiv-Artikel

Bremen zahlt an Polizeiopfer

Tim Koehne gegen Bremen – die Klage endet im Vergleich: Nach fast drei Jahren kann das heute 24-jährige Opfer prügelnder Polizisten jetzt beginnen, einen Schlussstrich zu ziehen. Gestern stimmte die Stadt einem Vergleich über 4.250 Euro zu

taz ■ Dreieinhalb Jahre hat Tim Koehne gekämpft. Gestern vor dem Bremer Landgericht erhielt er eine kleine Genugtuung. Dort endete die Schmerzensgeldklage des mittlerweile 24-jährigen Studenten, der von Polizisten auf der Wache brutal misshandelt worden war, nach 90 Minuten Prozessauftakt im Vergleich.

Koehne, der die Stadt Bremen auf 10.000 Euro Schmerzensgeld verklagt hatte, stimmte dem Vergleich über 4.250 Euro nach kurzer Beratung zu. Auch der Anwalt der Stadt akzeptierte widerwillig die Summe, die um 750 Euro über dem ersten Vorschlag der Kammer lag. Nun bleiben der Stadt vier Wochen, um die Schadensübernahme durch die Versicherung zu klären.

Bis es zum Vergleich kam, hatte der Vorsitzende Richter der ersten Zivilkammer, Stephan Haberland, deutlich gemacht: Ein Prozess würde mindestens eineinhalb Jahre dauern – und beide Parteien belasten. Die Stadt wäre mit wiederkehrenden Presseberichten über den Vorfall in der Silvesternacht 1999/2000 konfrontiert, als Polizisten den unter Drogen- und Alkoholeinfluss stehenden Koehne festnahmen, der gegen Umstehende tätlich geworden war. Noch in der Millenniumsnacht, zugleich die Nacht vor seinem 21. Geburtstag, kam Koehne auf die Wache. Unverletzt. Sechs Stunden später verließ er sie schwer malträtiert.

„Schädel-Hirntrauma ersten Grades, Hautabschürfungen, Gesichtsprellungen, Bluterguss an der Hüfte“, verlas der Richter die Liste der Verletzungen, deren Urheberschaft trotz 22-monatiger staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen weitgehend unklar geblieben war. Das Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen 13 Beamte war eingestellt worden. Die Taten konnten den schweigenden Polizisten nicht klar zugeordnet werden. Jedoch ging aus einem Bericht der Innenrevision der Polizei hervor, dass die Beamten die Verletzungen verursacht hatten. Auch das Gericht machte gestern deutlich, „dass es Misshandlungen durch die Polizei gab, die nicht gerechtfertigt waren.“ Dies betreffe mindestens eine verletzte Hüfte und einen Faustschlag ins Gesicht. Doch würde eine Beweisaufnahme sich auch mit Würgemalen an Koehnes Hals befassen.

90 Minuten lag der junge Mann gefesselt am Boden, vorgeblich um eine Kopfplatzwunde zu nähen, wofür allerdings erst eine Nadel geholt werden sollte. Um den Kopf hoch zu halten, habe man ihm ein Handtuch um den Hals gelegt, referierte eine Beisitzende Richterin, um sichtlich zweifelnd und angewidert zu fragen: „Ist das eine übliche Praxis?“ Fraglich sei auch, ob Koehnes Fuchtelei mit einem Kugelschreiber als Angriff auf einen Polizisten gewertet werden müsse. Der Vertreter der Stadt hatte zuvor behauptet, er könne „Pflichtverletzungen von Polizeibeamten nicht erkennen“. Im Saal war Raunen aufgekommen.

Tatsächlich war Tim Koehne gestern der kleinste und zierlichste unter den Männern im Gerichtssaal. Aber auch für ihn wäre ein langer Prozess unangenehm geworden: Sein unbestritten aggressives, vielleicht auch panisches Verhalten bei der Polizei wäre in die Bewertung der Vorfälle eingeflossen. Vor allem aber hätte die Beweislast über anhaltende Angstzustände als Folgen der Übergriffe allein bei ihm gelegen.

„Meinen Mandanten nimmt das alles bis heute sehr mit“, begründete dessen Anwalt Helge Bleischwitz, warum er auf das Vergleichsangebot eingegangen war. Koehne selbst antwortete auf die Frage: Zufrieden? – „Ja, dass es vorbei ist.“ Eva Rhode