Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Le Mépris“ (OmU) 22. 6.–23. 6. im Nickelodeon

Der im letzten Jahr verstorbene John Schlesinger hatte seine Karriere in den 50ern als Regisseur von Features über Kunst und Oper für das Fernsehprogramm der BBC begonnen. Anschließend drehte er Dokumentarfilme, übte sich in Spülstein-Realismus („A Kind of Loving“) und war einer der Protagonisten der Angry-Young-Men-Phase des britischen Kinos. Sodann entschwand er in die USA, warf in „Midnight Cowboy“ den Blick des Europäers auf die Schattenseiten der amerikanischen Gesellschaft und entwickelte sich zum Thrillerspezialisten. Ein vielseitiger Mann, dessen Filme vor allem das Gespür für die Atmosphäre von Schauplätzen und ein oft bitterer Sarkasmus auszeichnen. Dabei sind Schlesingers Filme oft Zeugnisse ihrer Ära: „Darling“, eine Geschichte um die Liebschaften und den gesellschaftlichen Aufstieg eines Models, spielt im Swingin’ London der 60er und bedient sich der ästhetischen Prinzipien der Popkultur, um deren Oberflächlichkeit bloßzustellen. Das Fotomodell Diana (Julie Christie) wandert durch ein London der gelackten Oberflächen mit absurden Wohltätigkeitspartys, wo sich die High Society durchfrisst; dabei geht sie von Mann zu Mann und macht „Karriere“ – bis sie schließlich einen italienischen Fürsten heiratet. In der Figur des Models spiegelt sich die ganze Gehaltlosigkeit der Society wider: Diana ist zwar lebenshungrig, jedoch unentwegt gelangweilt und vollkommen unfähig, echte Gefühle zu empfinden. Dass sie dem Zuschauer trotz alledem so proper, freundlich und unverbindlich nett erscheint, ist die eigentliche Perfidie des Films.

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„Hellzapoppin“ (OF) 23. 6. im Arsenal 2

Das Bemühen, die aberwitzigen Gags der Warner-Zeichentrickfilme (sowie jener von Tex Avery bei MGM) in den Realspielfilm zu übertragen, kennt man vor allem aus der Zusammenarbeit von Ex-Cartoonregisseur Frank Tashlin mit Jerry Lewis. Ein Vorläufer dieser Entwicklung ist die musikalische Komödie „Hellzapoppin“ von H. C. Potter: In der Geschichte eines Films über die Verfilmung einer Broadway-Revue befleißigen sich die Komiker Ole Olsen und Chic Johnson stets des Mottos „Anything can happen and it probably will“, das wahrlich nicht weit von Tex Averys „In a cartoon you can do anything“ entfernt scheint. Sinnlose Verfolgungsjagden, diverse Running Gags, physische Deformationen der Darsteller dank fotografischer Tricks sowie der ständige Selbstbezug auf das Medium Kino lassen immer wieder Erinnerungen an den Trickfilm aufkommen.

„Darling“ 17. 6. im Eiszeit 1

Im Haus des Schriftstellers Malaparte auf Capri schuf Jean-Luc Godard mit „Le Mépris“ eine filmische Reflexion in Farbe und Breitwandformat über Filme in Farbe und Breitwandformat. Ferner werden die Auswirkungen beruflicher Entscheidungen auf private Beziehungen diskutiert und der Superstarstatus von Brigitte Bardot tiefschürfend durchdacht. Zudem hat Fritz Lang in „Le Mépris“ einen Auftritt als Schauspieler: Er spielt sich gewissermaßen selbst – einen alten Regisseur, der leicht resigniert an einem Odysseus-Film herumdreht und sich ansonsten für das hübsche Gelb von Bardots Bademantel begeistert. LARS PENNING