Fernreisen und Abenteuer: Hört auf die Völker der Welt

Musik ist eine lebensentscheidende Sache. Ich zum Beispiel hab mal ein Semester Schwedisch gelernt. Einfach nur, weil mir in dieser Zeit eine schwedische Band mit dem schönen Namen Samla Mammas Manna ausnehmend gut gefiel, die, wie sich dann herausstellte, gern eine verballhornte Version des Schwedischen benutzt. Im Land selbst ist die Sprache sowieso unnütz. Denn wenn man sich mühselig seine schwedischen Brocken zu einem vernünftigen Satz zusammengelegt hat, antwortet der Schwede in Englisch. Will er einen besonders beiläufig erniedrigen, macht er es in gestochenem Deutsch. Aber man muss ja nicht nach Schweden. Man muss überhaupt nicht weg. Fernreisen gehen schließlich auf dem Flohmarkt am besten. Hier gibt es noch Abenteuer zu bestehen. Hier winkt Exotik. Man muss seinem Herzen nur einen Stoß geben und ergeben in die Knie gehen. Weil, unten auf dem Boden warten schon die Angebote in der klassischen Ein-Euro-Kategorie, eingeklemmt zwischen den Heintje- und James-Last-Scheiben: Die musikalische Fremde. Aber wie sagt der Historiker: Grabble, wo du stehst. Praktiziertes Soziologiestudium. Hier lernt man die wahren Begierden der Völker kennen, hier verfolgt man die Migrationsbewegungen. Türkische Mittsiebziger-Singles in Menge. Schwedische Altwaren die Minderheit. So ein Teil wie nebenan ist aber ein Glückstreffer: Sincron. Rumänischer Beat, die Hülle angefressen. Was soll’s. Darauf lauter Coversionen – „Monday, Monday“, „San Francisco“ – von einer krawalligen Schülerband, bei der sich die Texte teuflisch nach Beinahe-Englisch anhören. Aber 1967 kannte man dort den Westen mehr vom Hörensagen und doch ist die Band der Beweis, dass Verstehen nicht immer was mit Sprache zu tun hat. Trotzdem hab ich für meine nächste Realausfahrt schon zwei Sätze Rumänisch gelernt. Erst: „Haben sie Bier?“. Dann: „Wo ist der nächste Plattenladen?“.THOMAS MAUCH