Ein Pakt für die Genossen

Mit dem Ausbildungspakt wahrt die SPD ihr Gesicht und kann sich stillschweigend von der umstrittenen Ausbildungsplatzumlage verabschieden. Die verstaubt jetzt ungestört im Vermittlungsausschuss

BERLIN taz ■ Der SPD schwimmen die Felle davon, also verkauft sie jedes Verhandlungsergebnis als Erfolg. Sie verzichtet auf die Ausbildungsumlage – dafür haben Gerhard Schröder, Edelgard Bulmahn und Wolfgang Clement (alle SPD) gestern einen Pakt mit den vier großen Wirtschaftsverbänden geschlossen. Darin verpflichtet sich die Wirtschaft, in den kommenden drei Jahren 30.000 zusätzliche Lehrstellen zu schaffen und schwer vermittelbaren Jugendlichen 25.000 Praktikumsplätze anzubieten. „Mehr kann man nicht erreichen“, konstatiert Wirtschaftsminister Clement. Das Gesetz zur Ausbildungsumlage darf nun im Vermittlungsausschuss friedlich verstauben.

Damit ist auch der innerparteiliche Zwist über die gesetzliche Umlage zum Erliegen gekommen. Während Parteichef Müntefering und die Linke das Projekt verteidigten, stemmten sich Schily, Eichel und die Ministerpräsidenten Kurt Beck und Peer Steinbrück dagegen. Erbitterte Streiter für die gesetzliche Umlage, wie Bildungsexperte Jörg Tauss und Andrea Nahles, wurden nun zum Pakt bekehrt. „Ich begrüße ausdrücklich, wenn ein verbindlicher Ausbildungspakt zwischen Bundesregierung und Wirtschaft zustande kommt“, so Tauss versöhnlich. Ohne das Gesetz zur Ausbildungsplatzsicherung wäre der Pakt nie unterzeichnet worden. Auch Nahles bedauert eher zurückhaltend: „Ein Gesetz wäre nicht schlecht gewesen, weil es eine andere Verbindlichkeit gehabt hätte.“ Die Jusos stimmen ebenfalls zu: „Jeder neue Ausbildungsplatz ist gut für uns und für Franz Müntefering“, meint Vorsitzender Nils Annen.

Die SPD und Parteichef Müntefering haben gerade so ihr Gesicht wahren können. Möglich wurde das, weil die Apologeten der Umlage immer kräftiger zurückruderten. Erst war von einem Lehrstellenüberhang von 12 Prozent die Rede, das hätte rechnerisch über 660.000 Lehrstellen ergeben. Während der Diskussion über das Gesetz wurden dann nur noch die unversorgten Bewerber in die Kalkulation einbezogen; die 100.000 Jugendlichen, die pro Jahr in die Zeitschleife der Arbeitsagentur geschoben werden, spielten keine Rolle mehr. Immerhin wären so noch fast 600.000 Stellen zustande gekommen. Dieses Kriterium wurde geopfert, damit SPD und Grüne Mitte Mai ihre parlamentarische Mehrheit für das Gesetz zusammenbekamen. Somit war nur noch ein Pakt nötig, um die Umlage zu kippen. Und – voilà –, da ist er. Mit den darin versprochenen Lehrstellen könnte sich die Gesamtzahl der Plätze auf etwa 475.000 erhöhen. Könnte, denn im Pakt ist nicht von „mehr“, sondern nur von „neuen“ Plätzen die Rede.

Die Gewerkschaften kann die SPD denn auch nicht zufrieden stellen. DGB-Chef Sommer rügt die Nachgiebigkeit der Regierung. Mit ihrem Verzicht auf das Gesetz zur Ausbildungsplatzabgabe habe sie „ein wirkungsvolles Instrument zur Behebung einer nationalen Katastrophe“ gekippt.

ANNA LEHMANN