: Einfach mal das Handy anlassen
Ferienflieger LTU fliegt nicht nur in die Sonne, sondern hilft auch bei Abschiebungen. Aktivisten protestieren in Tegel
Silvia Fischer (28) denkt nicht an Sombreros, Bermuda-Shorts und Caipirinha, wenn sie vor dem LTU-Schalter am Tegeler Flughafen steht. Sieht Silvia das LTU-Logo, denkt sie an Armut, Verfolgung und Krieg. Aus ihrer Sicht ist der Ferienflieger ein Unternehmen ohne Skrupel. Denn sie hat erfahren: LTU schiebt ab.
Es war gestern Vormittag kurz nach elf. Silvia und ihre sieben Mitaktivisten treten vor den Schalter, um ein zwei Meter langes Transparent auszurollen. Mit im Gepäck: bedruckte Hochglanzflugblätter. Sonderlich kämpferisch wirken sie beim Verteilen nicht. Im Gegenteil: Erst als nach einigen Minuten die Sicherheitskäfte anrücken, werden sie von den vorbeigehenden Passanten überhaupt registiert. Ein paar Sympathiebekundungen, die Mehrzahl verhalten, ein älterer Herr sagt: „Wieso? Ich bin doch für Abschiebungen.“
Allein 2003 habe die LTU mindestens acht Maschinen für Abschiebungen genutzt. „Einfach abscheulich“, findet Silvia. Bisher stand vor allem Lufthansa unter Beschuss. Dass auch Ferienflieger Sammelabschiebungen durchführen, ist für Silvia neu. Für die LTU angeblich ein lukratives Geschäft, mit dem sie bei jedem einzelnen Flug das Jahresgehalt eines ihrer Mitarbeiter sichern könne, habe der LTU-Geschäftsführer ihnen gegenüber gesagt. Zynisch finden sie das. Ihre Aktion ist Teil einer bundesweiten Kampagne, die auch an den Flughäfen in Frankfurt, Düsseldorf und München stattfindet. Weitere Aktionen sollen folgen.
Noch während Silvia das alles erzählt, neigt sich die Geduld der Sicherheitskräfte dem Ende. Sie reißen ihr die Flugblätter aus der Hand. Ein Polizist ruft per Funkgerät nach Verstärkung. Aber das ist gar nicht nötig. Das Transparent ist bereits eingerollt, die Jungaktivisten ziehen weiter Richtung Ausgang. Silvia schafft es beim Weggehen, einen Fluggast auf die Rückseite des Flugblatts hinzuweisen. Darauf stehen einige Verhaltenstipps, was man als Fluggast der LTU tun könne: versuchen mit den abgeschobenen Flüchtlingen Kontakt aufzunehmen; beim Anrollen der Maschine das Handy anlassen, damit könne der Start und damit die Abschiebung verzögert werden; und sich auf keinen Fall von mitfliegenden BGS-Beamten einschüchtern lassen – in der Luft habe allein der Flugkapitän das Hausrecht. Doch so weit, dies noch mehr LTU-Passagieren mitzuteilen, kommen sie nicht. Die Aktion endet für Silvia und ihre Mitstreiter früher als erwartet – und zwar mit Platzverweisen. FELIX LEE