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Archiv-Artikel

„Ein Spiel für reiche Leute“

Der Raketenforscher Harry Ruppe ist sich sicher, die Urlaubsreise in den Weltraum für jedermann bleibt vorerst eine Illusion. Nur mit grundlegend neuen Technologien wäre der Traum vom billigen außerirdischen Urlaub möglich

taz: Herr Ruppe, staatliche bemannte Raumfahrt kostet Milliarden. Jetzt wollen Privatleute, die Teilnehmer am X-Preis, dasselbe mit nur einem Bruchteil an Geld machen. Ist das realistisch, oder sind das alles nur Spinner?

Harry Ruppe: Zumindest Burt Rutan ist kein Spinner. Zu Anfang war ich sehr skeptisch, aber inzwischen denke ich, dass er den Flug mit seinem Raketenflugzeug schaffen wird. Nur: Er macht natürlich keine Raumfahrt. Er macht etwas, was weit darunter liegt. Drei- bis vierfache Schallgeschwindigkeit, hundert Kilometer hoch mit drei Leuten, und das dann innerhalb kurzer Zeit zu wiederholen, mit einem wieder verwendbaren Apparat, das ist respektabel, das ist eine tolle Leistung.

Wo fängt für Sie denn die Raumfahrt an?

Raumfahrt beinhaltet nach meiner Ansicht mindestens eine Erdumrundung, und dazu muss man viel schneller sein, als es Rutans Raketenflugzeug ist. Was die anderen Teilnehmer des X-Preises angeht, da sehe ich nur Willenserklärungen, sonst kaum etwas.

Wie muss das Raumschiff konstruiert sein, mit dem Rutan in eine Erdumlaufbahn kommen kann?

Bei seinem Raketenflugzeug sind 30 Prozent der Startmasse Treibstoff. Den Anteil müsste er auf 95 Prozent steigern, dann erreicht er eine Umlaufbahn. Das ist so ungefähr die Faustformel in der Raketentechnik. Das Shuttle wiegt 2.000 Tonnen am Start, und ganz rund gerechnet kommen 100 Tonnen zurück. Rutans Apparat hat auch noch keinen wirklichen Hitzeschutzschild, weil er sich bei drei- bis vierfacher Schallgeschwindigkeit noch nicht nennenswert aerodynamisch erwärmt. Wenn Rutan also aus seiner Umlaufbahn zurückkehren will, braucht er einen Wärmeschutz. Und der würde mehr wiegen, als seine gesamte jetzige Nutzlast, die mit drei Passagieren und Steuertechnik vielleicht 500 Kilogramm ausmacht.

Weniger, besser, billiger geht nicht?

Nein, bei Raketenflügen jedenfalls kaum. Ein paar Prozent schafft jeder bessere Ingenieur, aber mehr nicht. Nehmen wir den Treibstoff. Von den 95 Prozent Anteil beim Startgewicht kommt man kaum herunter, bei Flügen zum Mond und zum Mars muss es sogar noch mehr sein. Wir denken seit 80 Jahren, seit Hermann Oberth, über Raketentreibstoffe nach. Inzwischen haben wir das Beste vom Besten.

Das heißt, billiger Weltraumtourismus ist eine Illusion.

Ich fürchte, ja. Solange er mit Raketen betrieben wird, bleibt er ein Spiel für reiche Leute, die bereit sind, ein paar Millionen Dollar auszugeben.

Sehen Sie für die nähere Zukunft irgendeine billigere Möglichkeit?

Neue Technologien – das sind alles noch Spekulationen. Mein Freund Arthur C. Clarke hat mal einen Roman geschrieben, in dem er einen orbitalen Fahrstuhl beschreibt. Ich habe ihm dazu die physikalischen Rechnungen angefertigt. Möglich ist das zweifellos, nur bräuchten wir dafür ein Supermaterial, das nicht schon nach ein paar Kilometern unter seinem Eigengewicht zerreißt. Es gibt Ansätze für solche Materialien, aber nur als Fasern, und für einen Fahrstuhl bräuchten wir richtig dicke Kabel. Wenn wir die einmal haben, bleibt bloß noch das Problem der Abermilliarden, die so ein Fahrstuhl kostet. Und wenn er dann endlich fertig ist, dann können wir Raumfahrt zu einem Bruchteil der heutigen Summen betreiben. INTERVIEW: KENO VERSECK