Islamische Republik Iran

Der Iran hat zirca 65 Millionen Einwohner, 10 bis 15 Millionen leben in der Hauptstadt Teheran. Zwar ist die Wachstumsrate von über vier Prozent nach der Revolution auf heute 1,8 Prozent gesunken. Doch mit einem Durchschnittsalter der Bevölkerung von 20 Jahren ist der Iran nach wie vor ein extrem junges Land. Das Heiratsalter beginnt für Mädchen mit dreizehn Jahren, für Jungen mit fünfzehn.

Der Iran beherbergt unterschiedliche ethnische Volksgruppen: Nur die Hälfte der Bevölkerung sind Perser, ein Viertel sind turksprachige Aserbaidschaner, die hauptächlich im Nordwesten des Landes leben. Im Westen sind die sieben Prozent Kurden des Landes angesiedelt, im Süden leben außerdem Araber und im Osten Belutschen.

Persisch gehört zum so genannten Indoarischen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie. Das im Iran gesprochene Persisch (Farsi) unterscheidet sich etwas von dem in Afghanistan gesprochenen Dari. Ein großer Teil des Wortschatzes stammt aus dem Arabischen, ansonsten hat Farsi jedoch mit dem Arabischen, das zur semitischen Sprachfamilie zählt, nichts zu tun. Für die Hälfte der Iraner ist Farsi nicht Muttersprache, es wird jedoch von allen beherrscht, da es ausschließliche Unterrichtssprache ist. Die Unesco schätzt die Analphabetenquote für das Jahr 2000 auf 24 Prozent, die Einschulungsquote auf etwa 86 Prozent. Von den Frauen können 31 Prozent nicht lesen und schreiben, von den Männern nur 17 Prozent. Unter den Beschäftigten beträgt der Frauenanteil 27,1 Prozent.

Der Iran ist das einzige Land auf Erden, in dem es der Schiismus zur Staatsreligion gebracht hat. Der Schiismus unterscheidet sich vom islamischen „Mainstream“, dem Sunnismus, erheblich. Er geht auf Ali, den Schwiegersohn Mohammeds, zurück, dessen Partei (arabisch „Schiat“, von daher der Begriff Schiismus) nur die direkten Nachfahren Mohammeds als rechtmäßige Führer der islamischen Gemeinde anerkennt. Die von der Gemeinde nach dem Tod Mohammeds eingesetzten Kalifen gelten den Schiiten als Usurpatoren. Der eigentliche Gründungsmythos des Schiismus ist das Martyrium von Alis Sohn Hussein, der im Jahr 680, fünfzig Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed, in Kerbela im heutigen Irak vom Heer des Kalifen Yazid getötet wird. Seine Anhänger, die ihn – bis auf eine kleine Schar von 72 Getreuen – schmählich im Stich gelassen hatten, werden nach der Tragödie vom schlechten Gewissen gepackt. Die damals beginnenden Büßerrituale sind die Vorläufer der Buß- und Trauerzeremonien der heutigen Zeit. Nach der schiitischen Lehre hat es zwölf rechtmäßige Nachfolger Mohammeds gegeben, die so genannten Imame, deren Reihe mit Ali, Mohammeds Schwiegersohn, beginnt. Der zwölfte Imam ist im Jahr 873 verschwunden, er gilt seither als „verborgen“ – er wird am Ende der Zeiten als „Mahdi“ wiederkommen und ein Reich der ewigen Gerechtigkeit erbauen.

Formal ist die Islamische Republik, deren Verfassung von Chomeini selbst entwickelt wurde, eine parlamentarische Demokratie. Die eigentliche Macht im Staate geht jedoch vom Amt des so genannten Revolutionsführers aus, der nicht von Volk gewählt, sondern von der Theokratie bestimmt wird. Der derzeitige Amtsinhaber ist Ali Chamenei. Ihm unterstehen das Justizministerium, der Geheimdienst und die Armee. Alle vom Parlament beschlossenen Gesetze können vom so genannten Wächterrat, der ihre Vereinbarkeit mit dem Islam zu prüfen hat, zurückgewiesen werden. Der Wächterrat wird zwar paritätisch vom Revolutionsführer und vom Parlament besetzt, bei Stimmengleichheit entscheidet jedoch der vom Revolutionsführer eingesetzte so genannte Schlichtungsrat, dessen Vorsitzender der frühere Präsident Haschemi Rafsandschani ist, der als der eigentliche starke Mann hinter den Mullahs gilt.

Der 1997 gewählte Staatspräsident Mohammed Chatami galt als Hoffnungsträger der Demokratie. In den Parlamentswahlen von 2000 bestätigten ihn über drei Viertel der Wähler in seinem Amt, bei einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent. Mittlerweile hat sich Enttäuschung über seine offensichtliche Machtlosigkeit breit gemacht. Die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen im Februar 2003 lag in Teheran gerade noch bei zwölf Prozent. In den letzten Jahren protestierten Studenten mehrmals gegen die Macht der geistlichen Führer und auch gegen Chatami. Am 9. Juli 1999 wurde eine dreitägige Studentenrevolte von der iranischen Führung brutal niedergeschlagen. Die Forderung der Studenten nach Rücktritt des religiösen Oberhaupts gilt in der islamischen Rebublik als Tabubruch. Im Juli dieses Jahres kam es zum Jahrestag der Aufstände erneut zu Protestaktionen und Festnahmen von Studenten.

Die iranische Wirtschaft leidet unter ihrer Isolation. Das Bruttosozialprodukt liegt laut Heinrich-Böll-Stiftung bei 1.750 Dollar pro Kopf, damit ist der Iran eindeutig ein Entwicklungsland. Er verfügt zwar über riesige Ölvorkommen, aber es fehlt an der Technologie und vor allem am Kapital für die Veredelung, seit Clinton 1995 ein Wirtschaftsembargo verhängt hat, das Investitionen in der Ölindustrie und die Einfuhr amerikanischer Technologie untersagt. Die Folgen: Jedes Jahr muss Iran für über eine Milliarde Dollar Benzin einführen. Aber das eigentliche Übel des Iran heißt Korruption. Ein großer Teil der Wirtschaft ist in der Hand von religiösen Stiftungen, in die das Kapital der enteigneten Schah-Anhänger eingeflossen ist. Sie stellen eine Art mafiöser Schattenwirtschaft dar, die ohne jede Kontrolle direkt in die Taschen der Mullahs wirtschaftet und den Schwarzmarkt und Schmuggel beherrscht. Eine dieser Stiftungen ist auch die Urheberin der Fatwa gegen Salman Rushdie. Erst vor wenigen Monaten wurde das auf seinen Tod ausgesetzte Kopfgeld auf 3 Millionen Dollar erhöht.

Schon in uralten Zeiten bezeichneten sich die Perser als „Arier“, was so viel wie „Edle“ bedeutet. Irgendwann zum Ende des 19. Jahrhunderts taucht der Begriff in den Rassentheorien auf, die im Kaiserreich Konjunktur haben; als „Arier“ wurden alle Nichtjuden bezeichnet. Als der Schah Resa in den 30er-Jahren über seinen persischen Gesandten davon Wind bekommt, wie hoch im Kurs „Arier“ in Deutschland stehen – jetzt zur Bezeichnung der deutschen „Herrenrasse“ –, nennt der sein Reich 1936 prompt von „Persien“ in „Iran“ – Land der Arier – um, als Zeichen der politischen Hinwendung zu Hitlerdeutschland – und gleichzeitig der Abwendung von den im Volk (damals wie heute) verhassten Briten, die sich in quasi-kolonialistischer Manier der Ölvorräte des Iran bemächtigt hatten. Deutschland ist mit elf Prozent aller Importe der wichtigste Handelspartner des Iran. LUB