Das Schicksal auf Arbeit

Nach dem Jawort: Jeannette Eggerts und Uli Gaulkes Filmdokumentation „Heirate mich – Casate conmigo“

Wenn sich das Fernsehen und der Spielfilm mit Hochzeiten befassen, interessiert sie die Zeit davor. Der Anspruch des Dokumentarfilms ist hingegen, das hereinzuholen, was ausgeklammert wurde: den Alltag des Zusammenlebens danach. Die Aufforderung, ein Versprechen zu geben – „Heirate mich!“ –, steht am Beginn des Films von Jeannette Eggert und Uli Gaulke. Im September 2000 erhielten die beiden einen Brief, in dem stand, dass Erik aus Hamburg Gladis aus Kuba kennen gelernt hat und dass die beiden heiraten wollten. Gladis kannten die beiden Dokumentarfilmer gut, in ihrem Film „Havanna Mi Amor“ hatte sie eine wichtige Rolle. Und jetzt das. Der Heiratsantrag eines Deutschen, der „die Frau seines Lebens“ getroffen hatte und bereit war, sich scheiden zu lassen, um mit ihr und ihrem siebenjährigen Sohn eine neue Familie zu gründen.

Deutsch-kubanische Beziehung, Norden trifft auf Süden, kühle Hafenstadt trifft auf temperamentvolle Insel, Multi trifft auf Kulti. Oder auch, wie es der Pressetext formuliert: „Ein Film über das Weggehen und Ankommen, den Kampf der Geschlechter und das Aufeinanderprallen zweier Kulturen“. In einem Interview gestand der Bräutigam: „Ich dachte, Sie kommen bei der Hochzeit vorbei und drehen ein bisschen.“ Dass daraus mehr wurde als nur ein aufwändiges Hochzeitsvideo, ist der Geduld der beiden Filmemacher zu verdanken, die das deutsch-kubanische Paar zwei Jahre lang begleiteten, auch dann noch, als der erste Rausch des Verliebtseins längst verflogen war.

Die Ernüchterung beginnt spätestens beim ersten Besuch bei den Eltern von Erik, wo dem Jungen Mutters Pflaumenkuchen nicht schmeckt. Die Mutter reagiert pikiert, aber nicht zu sehr, schließlich ist die Kamera anwesend. Dafür kann sie sich später mehr oder minder elegant rächen, wenn sie Gladis den Papagei vorführt, der „Hänschen klein“ singt: „Da kannst du Deutsch lernen!“ Es folgen erniedrigende Behördengänge, die Schwierigkeiten des Deutschunterrichts, ein verpfuschtes Weihnachtsfest, die Ankunft eines alten Verehrers. Dem Paar bleibt nichts erspart, und die Zuschauer sollen daran teilhaben. Sie wollten „dem Schicksal bei der Arbeit zusehen“, erläutern Eggert und Gaulke ihre Motivation, diesen Film über die Szenen einer Ehe zu drehen. Ab wann jedoch nicht der rhetorisch beschworene Geschlechterkampf oder der Kulturenkonflikt, sondern die Kamera ihr Schicksal wird, ist kaum noch auszumachen. Beim Zugfahren, mit Blick auf die Landschaft draußen, fragt die Mutter: „Ist es hier schöner oder in Kuba?“ – „Hier ist es schöner“, antwortet der Junge pflichtschuldig. Was hätte er gesagt, wenn die Kamera nicht aufgezeichnet hätte? Oft genug wird er als der eigentliche Verlierer dieser Entscheidung gezeigt, wenn er sich im Hintergrund vor Langeweile auf dem Boden wälzt oder wenn er keine neuen Freunde kriegt, sondern eine neue Daunenjacke.

Eggert und Gaulke inszenieren „Heirate mich“ als Fotoalbum in abendfüllender Länge, eine angemessene Form, denn sie sagt: Das hier ist eigentlich Privatsache. Aber jede Reflexion über die feinen Grenzen der Tyrannei der Intimität oder die eigene prekäre Rolle als Beobachter des Privaten ersetzt der Film – leider – durch einen penetranten kubanischen Soundtrack, der von Heimweh und Sehnsucht singen muss, um auch noch dem Letzten im Publikum klar zu machen, dass Gladis gerade sehnsüchtiges Heimweh hat. Dass der Film nicht mit dem sozialen Ereignis der Hochzeit, sondern mit dem privaten der Geburt des gemeinsamen Kindes – live dabei im Kreißsaal! – endet, ist dann wieder nur konsequent. Vielleicht hat ja auch die Geburt nur stattgefunden, weil die Kamera dabei war. DIETMAR KAMMERER

„Heirate mich – Casate conmigo“. Regie: Uli Gaulke, Jeannette Eggert. Deutschland 2003, 105 Min.