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Archiv-Artikel

Frieden, lang nach der RAF: Silke Maier-Witt

Vor 27 Jahren schloss sich Silke Maier-Witt der RAF an – und verließ sie zwei Jahre später wieder. Heute arbeitet die 54-Jährige als Friedensfachkraft im Kosovo. Ihre Erfahrungen will Maier-Witt weitergeben: Ein Schulbesuch in Aachen

Silke Maier-Witt spricht nur noch über ihre Vergangenheit, wenn das gewünscht wird. Nicht, weil sie nicht möchte. Wichtiger ist dem ehemaligen Mitglied der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) aber ihre jetzige Arbeit als Zivile Friedensfachkraft in Ex-Jugoslawien: In Aachen berichtet sie Schülerinnen und Schülern von der Arbeit, „die im positiven Sinne da anknüpft“, wo sie selbst einst zur RAF stieß.

Seit vier Jahren arbeitet Maier-Witt im Kosovo für Projekte, die das Bonner Forum Ziviler Friedensdienst und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanzieren. Den Schülern erzählt sie von Vorurteilen und Hass, den die Volksgruppen der Albaner und serbisch sprechenden Goran in der abgelegenen Bergregion Dragas gegeneinander hegen. Sich selbst und ihre Kollegen sieht sie in einer Berater- und Mittlerfunktion – angeregt werden sollen deren Engagement zur Schaffung eines friedlichen Zusammenleben. Wie schwierig das aber sei, sagt die 54-Jährige, habe die Gewaltwelle im März mit 19 Toten, 3.000 vertriebenen Serben und 900 abgebrannten Häusern gezeigt.

Ihre eigene Biographie thematisiert sie gegenüber den Schülern der Klasse 8b an der Gemeinschaftshauptschule Aachen-Eilendorf nicht. Sollten Lehrer oder Schüler das wünschen, sagt die 54-Jährige, mache sie das aber. Dann erzählt Maier-Witt auch, wie sie sich 1977 nach dem Studium der Medizin und Psychologie der RAF angeschlossen hat. Die verließ sie wieder, nachdem 1979 bei einem Banküberfall eine Unbeteiligte erschossen worden war. Danach siedelte sie über in die DDR und wurde im Zuge der Wiedervereinigung verhaftet. 1994 nahm sie ihr Psychologiestudium wieder auf, wurde 1995 vorzeitig aus der Haft entlassen und arbeitete danach auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Im Gespräch mit der Klasse fällt das rasch auf: „Meine Arbeit könnte ich auch hier machen“, sagt Silke Maier-Witt den Schülern offen – statt über sich selbst zu sprechen. Die 8b besteht aus Jugendlichen mit türkischer, bosnischer, deutscher, polnischer, russischer und kongolesischer Herkunft. Nur drei Schüler kennen sich seit der fünften Klasse, die anderen haben Schulwechsel und Klassenwiederholungen hinter sich. Durch beharrliches Fragen zeigt die 54-Jährige, dass die oft unruhigen Schüler, die in beengten Verhältnissen zwischen Tafel und einem Plakat über Streitschlichtung lernen sollen, untereinander wenig über ihre Herkunft wissen – und Vorurteile haben. Ihre Mahnung: „Versucht nicht die Unterschiede zu betonen. Sucht nach Gemeinsamkeiten.“

Von der RAF zur Friedensarbeit im Kosovo – für Maier-Witt kein Widerspruch. Sie habe für Frieden in Vietnam und Gerechtigkeit in der so genannten dritten Welt kämpfen wollen. „Wenn man etwas bewaffnet macht, schlägt es auf einen zurück. Diese Polarisierung führt zu nichts“, sei ihr dabei deutlich geworden. Deutlich werde das auch im Kosovo – täglich.

MICHAEL KLARMANN