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Archiv-Artikel

Grüne fordert ein Ende der Kleinstaaterei

Föderalismus-Reform: Niedersachsens Grünen-Chefin Brigitte Pothmer fordert als erste Landespolitikerin mehr Macht für den Bund. Die Bildungspolitik der 16 Länder sei nicht gerade „eine Erfolgsstory“. Und überhaupt: Warum 16 Länder?

Beim Thema Nordstaat wird auch die mutigste Grüne vorsichtig

Hannover taz ■ Politik heißt Pfründe wahren: Deshalb streiten bei der Debatte um die Föderalismusreform die Vertreter der Länder derzeit parteiübergreifend nur für eins: Mehr Macht den Ländern. Niedersachsens Grünen-Chefin Brigitte Pothmer fährt jetzt als erste Landespolitikerin auf einem anderen Dampfer: „Wir müssen in der Sache entscheiden: Deshalb müssten in vielen Bereichen die Kompetenzen des Bundes gestärkt werden“. Damit stellt sich Pothmer nicht nur gegen die Grünen im Landtag und gegen die grünen Verhandlungsführer in der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat – sie stellt sich praktisch gegen alle Länder. Viel zu entscheiden hat sie dabei freilich nicht, aber „eine Debatte anstoßen will ich schon“.

Zum Beispiel bei der Bildung: Dass die föderale Kleinstaaterei in der Schulpolitik „nicht gerade zu Chancengleichheit und einem guten Leistungsniveau geführt haben, zeigt uns die PISA-Studie“, betont Pothmer. Weil der Föderalismus der 16 Kultusbürokratien „keine Erfolgsstory“ und zudem enorm teuer sei, votiert die Grüne dafür, die Länder in diesem Bereich zu entmachten. Die Schulziele solle künftig Berlin auf nationaler Ebene bestimmen, die Schulen sollten diese Standards möglichst autonom umsetzen. Den Ländern jedoch, „die sich seit Jahrzehnten in der Kultusministerkonferenz blockieren“, gesteht Pothmer nur noch Kontrollfunktionen zu.

Wie viel Sprengkraft in den Vorschlägen liegt, zeigt der Eklat, der in der vorvergangenen Woche der Vorschlag der SPD-Bundestagsabgeordneten Volker Kröning (Bremen) und Ortwin Runde (Hamburg) in der Kommission auslöste. Sie wollten die Berliner Kompetenzen bei der „Fortentwicklung des Bildungswesens“ und bei der Förderung der Hochschulen stärken und so Bundes-Projekte wie die Ganztagsschulen oder die Elite-Unis auf eine verfassungsmässige Grundlage stellen. Die Länder sahen sich provoziert und drohten mit dem „Ende der Veranstaltung“.

Pothmers Parteikollege, der niedersächsische Fraktionschef Stefan Wenzel, würde nicht zu solchen Keulen greifen. Auch er ist für mehr Autonomie der Schulen, allerdings stark dagegen, dass „eine zentrale Behörde bundesweite Standards festlegt. Das schafft auch die Nürnberger Agentur für Arbeit nicht“. Genauso wenig ist Wenzel für eine „nationale Strategie für die Entwicklung der Wissenschaftslandschaft“, wie Pothmer sie fordert: „Ich will keine staatliche Mammutbehörde, die Standards setzt.“ In der Vielfalt „liegt die europäische Stärke“, sagt Wenzel.

Dass die Kommission, die Ende des Jahres „konkrete Ergebnisse“ vorlegen will, die Zahl der Länder von vorneherein von den Verhandlungen ausgenommen hat, bedauern hingegen Pothmer wie Wenzel. „Die Zahl 16 ist nicht in Granit gehauen“, sagt Parteichefin Pothmer, will sich aber nicht auf Details festlegen. Auch der Fraktionsvorsitzende ist beim Thema „Nordstaat“ vorsichtig, weil er sich nicht die Wut zum Beispiel fusionsbedrohter Bremer zuziehen will. Wenn die Zahl der Länder allerdings auf 10 oder 12 sinken sollte, trifft es laut Wenzel aber natürlich „die Länder, die ihre Haushaltsprobleme nicht in den Griff bekommen.“ Kai Schöneberg