Stimmung gut – Fakten schlecht

Schleswig-Holsteins SPD-Wirtschaftsminister Bernd Rohwer lobt neue Unternehmensansiedlungen im Lande. An der hohen Arbeitslosigkeit im Norden ändert das in diesem Jahr aber nichts. Erfolge sind frühestens 2004 zu erwarten

Arbeitslosigkeit: Für das laufende Jahr lautet das Motto Schadensbegrenzung

aus HamburgPETER AHRENS

Wenn die Fakten schlecht sind, muss wenigstens die Stimmung gut sein. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) verfährt derzeit nach dieser Devise und redet die Wirtschaft im nördlichsten Bundesland schön. 15 neue Unternehmen haben sich im ersten Halbjahr 2003 im Lande angesiedelt, ließ er gestern durch den Geschäftsführer der landesweiten Wirtschaftsförderungsgesellschaft WSH vor der Presse verkünden. 640 Arbeitsplätze seien dadurch zusätzlich im Lande entstanden, mehr als im ganzen Vorjahr. An der schlechten Konjunktur zwischen den Meeren ändert das jedoch wenig.

Die rot-grüne Landesregierung von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis muss sich seit Jahren die Attacken der Opposition aus CDU und FDP anhören, sie betreibe eine wirtschaftsfeindliche Politik, stelle Umweltschutzrichtlinien über Arbeitsplätze und verbreite so ein Klima, das Investitionen hemme. Den Wirtschaftsminister nehmen die Fraktionsvorsitzenden Martin Kayenburg (CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) bei ihren Angriffen zwar gerne aus, doch fühlt sich Rohwer dennoch bemüht, als besonders wirtschaftsfreundlich zu gelten. Autobahnbau, Elbvertiefung – wenn es nach dem Minister allein ginge, hätten Umweltbelange bei solchen Themen keine große Rolle zu spielen. Rohwer gilt denn auch als Lieblingsfeind der Grünen in der an Konflikten ansonsten eher armen Koalition.

Gestern richtete der Minister seinen Blick allerdings weniger auf den grünen Koalitionspartner, sondern weit darüber hinaus nach Fernost. China als Zukunftsmarkt – was auch dem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) glänzende Augen verschafft, soll auch in Kiel die darbende Wirtschaft ankurbeln. Die Wirtschaftsförderer haben eine Dependance in der chinesischen Partnerregion Zhjiang eingerichtet. Große Effekte hat das aber noch nicht gezeitigt. Zurzeit prüfe man die „Erfolgsaussichten eines Einstiegs in den chinesischen Markt“. Das Land werde diese Bemühungen durch eine Marketingkampagne unterstützen, kündigte Rohwer Hilfe an.

Dass das jedoch weitgehend Kosmetik ist, weiß der Minister auch. Mit einem realen Anstieg der Erwerbstätigenzahl sei frühestens ab 2004 zu rechnen, holte ihn der Realismus gestern denn doch noch ein. 2003 müsse der Abbau von Jobs dagegen so gering wie möglich gehalten werden. Schadensbegrenzung nennt man das wohl. Ein Blick in die Statistik rechtfertigt diese vorsichtige Einschätzung auch. Die Arbeitslosenquote im Lande lag zuletzt immerhin bei 9,4 Prozent – mit 131.800 Menschen ohne Job sind das fast 15 Pozent mehr als im Jahr zuvor. In Städten wie Lübeck oder Flensburg herrscht mit 13,7 Prozent Arbeitslosigkeit Tristesse.