piwik no script img

Archiv-Artikel

Eurostabilität auf dem Papier verbessert

Der EU-Gipfel verpasst die Chance zur grundlegenden Reform des Euro-Stabilitätspakts. Die EU-Kommission bekommt zumindest ein paar mehr Kompetenzen im Defizit-Strafverfahren. Deutschland hat sich dagegen gewehrt. Erklärung ruft Staaten auf, in guten Zeiten Überschüsse zu erzielen

BERLIN taz ■ Der Euro soll hart bleiben. Aus diesem Grund haben die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel am Wochenende erneut ihre Treue zum Stabilitätspakt beschworen. In einer Zusatzerklärung zum Europäischen Grundgesetz werden die Staaten aufgerufen, in guten wirtschaftlichen Zeiten Budgets mit Überschüssen zu erzielen. Bindend ist das freilich nicht.

Dennoch soll das Nichteinhalten des Stabilitätspakts für die Länder der Wirtschafts- und Währungsunion künftig schneller geahndet werden: Die EU-Kommission erhält in der europäischen Verfassung mehr Kompetenzen im Defizitstrafverfahren. Nun kann sie die Prozedur „auf Vorschlag“ in Gang bringen, wenn nach ihrer Auffassung in einem Euroland ein übermäßiges Defizit besteht.

Bisher erfolgte dieser erste Schritt im Strafverfahren „auf Empfehlung“ der Kommission – eine qualifizierte Mehrheit im Finanzministerrat genügte, um der Kommission zu widersprechen. Jetzt kann der Finanzministerrat das Anliegen der Komission nur noch einstimmig zurückweisen.

Die Höhe der Sparauflagen kann die Kommission jedoch weiterhin nur „empfehlen“. In diesem Punkt setzte sich Deutschland durch, das sich auf dem EU-Gipfel heftig gegen die Stärkung der Kommission wehrte. Der ehemals größte Verfechter der Preisstabilität hat schon seit langem Probleme mit der Einhaltung des Euro-Stabilitätspakts.

Danach darf das Haushaltsdefizit drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Weil Deutschland dreimal in Folge dieses Kriterium verletzt hatte, war von der Kommission ein Defizitverfahren eingeleitet worden. Der Finanzministerrat hatte es jedoch auf Eis gelegt. Derzeit berät der Europäische Gerichtshof darüber.

Mit den beiden geringfügigen Stärkungen des Stabilitätspakts durch die EU-Verfassung vergrößert sich die Kluft zwischen Anspruch und Realität. Tatsächlich besteht der Stabilitätspakt schon lange nur noch auf dem Papier. Nach der EU-Erweiterung wurde gegen sechs weitere Staaten ein Defizitverfahren eingeleitet. Damit vergrößerte sich die Gruppe der Staaten, die die Kriterien des Pakts nicht einhalten können auf insgesamt zwölf Mitglieder.

Trotzdem haben sich Befürchtungen der Eurokritiker und Verfechter des Stabilitätspakts bisher nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Der Euro ist nach wie vor stark, die Inflation hält sich in Grenzen. Viele EU-Staaten würden ihre schwache Konjunktur gern durch erhöhte Staatsausgaben ankurbeln – und ein höheres Defizit in Kauf nehmen. Dies ist im Rahmen des Pakts allerdings nur begrenzt möglich. Schon seit langer Zeit fordert deshalb die EU-Kommission seine Reform. Der EU-Gipfel wäre eine Chance gewesen, den Stabilitätspakt grundlegender zu überdenken.

MICHAELA KRAUSE