: Zwangsumsiedlung für Flüchtlinge
Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz sollen geduldete Flüchtlinge gleichmäßig auf die Städte Nordrhein-Westfalens verteilt werden. Flüchtlingsorganisationen kritisieren die rigide Vertreibung
VON ANNIKA JOERES
Nordrhein-Westfalens Flüchtlinge müssen umziehen: Schon vor dem Inkraftreten des neuen Zuwanderungsgesetz zum ersten Januar 2005 sollen hier geduldete Menschen auf die Kommunen verteilt werden. „Ich habe mich dafür bei den Verhandlungen für das neue Gesetz nachdrücklich eingesetzt“, brüstet sich Innenminister Fritz Behrens (SPD). Dadurch würden die Lasten gerechter als bisher aufgeteilt. Flüchtlingsorganisationen kritisieren die neue Regelung.
„Wir haben schon immer dafür plädiert, diese Menschen zu verteilen“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des Innenministeriums. Bisher habe man „keinen Zugriff auf die Illegalen“ gehabt, endlich seien diese Gruppen gleich zu verteilen. Etwa 60.000 Menschen in NRW sind nur geduldet, ein Großteil von ihnen lebt seit fünf Jahren und länger mit diesem unsicheren Aufenthaltsstatus. Ihre Abschiebung wird durch Krankheiten oder fehlende Pässe nur aufgeschoben, ein Asylrecht erlangen die meisten von ihnen nie.
Wie schon bisher die AsylbewerberInnen werden auch die geduldeten Flüchtlinge nach einem festen Schlüssel verteilt: Nordrhein-Westfalen erhält 22 Prozent der bundesweit Asylsuchenden, die Städte je nach Einwohnergröße und Fläche einen entsprechenden Anteil. Die Geduldeten haben kein Mitspracherecht über ihren Wohnort. Lediglich die Kernfamilie bleibt zusammen, Freunde oder jahrelange NachbarInnen werden auseinander gerissen.
„Flüchtlinge haben immer eine Sogwirkung aufeinander“, sagt Manfred Lindemann von der Zentralen Ausländerbehörde in Düsseldorf. Dort wo sich schon viele einer Ethnie aufhielten, wollten auch alle anderen hin. Das sei zum Beispiel in Großstädten wie Münster, Köln, Duisburg und Essen der Fall.
Die Kommunen wollen die Flüchtlinge möglichst loswerden, um so die fälligen Kosten wie Arztbesuche und Unterbringung zu sparen. Bisher leben in den Großstädten unterschiedlich viele dieser Menschen. Während in Köln 3.500 „illegale“ Ausländer leben, haben andere Städte nur wenige Hundert zu betreuen.
Andrea Genten, Sprecherin des Flüchtlingsrates NRW in Essen, kritisiert die Verteilungs-Regel. „Jahrelange Bindungen werden zerstört.“ Flüchtlinge würden nun häufig entwurzelt und müssten nach jahrelangem Leben in Köln beispielweise nach Sachsen ziehen. „So können sich Menschen nie integrieren“, sagt Genten. Niemand könne sich alle paar Jahre in neue Gemeinschaften einleben. Sie findet es unsäglich, dass über die oft traumatisierten Flüchtlinge wieder nur im Zusammenhang mit Kosten gesprochen wird. „Das ist die falsche Botschaft.“