: Giftmais tötet auch ohne Hungersnot
120 Menschen in Kenia sind nach dem Verzehr verschimmelter Maisvorräte gestorben – vor allem in Regionen, in denen die nächste Ernte auf sich warten lässt und Hunger droht. Schuld ist der Aflatoxin-Schimmel, der beim Essen nicht zu erkennen ist
AUS NAIROBI ILONA EVELEENS
Fast täglich melden die Zeitungen neue Opfer, und Kenias Regierung spricht von einer „nationalen Katastrophe“. Rund 120 Menschen sind in Kenia bisher nach dem Verzehr von vergiftetem Mais gestorben, vor allem im von Hunger bedrohten Osten des Landes. Schlechte Lagerung ist der Grund: Hitze und Feuchtigkeit befördern das Wachstum von Aflatoxin, ein geschmackloser und unsichtbarer Schimmel. Er verursacht eine Leberinfektion, die innerhalb von 72 Stunden tödlich ist.
Mais ist die Basisnahrung vieler Kenianer, und einzelne Fälle von Aflatoxinvergiftung gibt es jedes Jahr. Aber noch nie gab es so viele wie diesmal. Es trifft meistens nur arme Menschen, die nicht genug Geld haben, um für ihr selbst angebautes Getreide ein gutes Lager zu bauen.
Die Vergiftung färbt das Weiß in den Augen der Patienten gelb. „Wegen der Armut gehen Leute nicht zum Arzt“, erklärt ein Arzt bei Kitui im Osten von Kenia. „Sie denken, dass sie Gelbfieber haben, und machen aus Pflanzen Medizin. Wenn sie dann später zu uns gebracht werden, ist es meistens schon zu spät.“
In dem winzigen Dorf Kitise to Wote, 50 Kilometer von diesem Missionskrankenhaus entfernt, sind sechs Menschen gestorben. Ein Dorfältester erklärt: „Die Fahrt mit dem Bus ins Krankenhaus kostet umgerechnet 2 Euro hin und zurück. Das hat keiner von uns. Es hat hier in den letzten Jahren kaum geregnet, also essen wir unsere Lagervorräte auf. Ob der Mais verschimmelt ist oder nicht – wir haben nichts anderes.“ Nun schickt die Regierung Experten durch das Land, um die Maislager zu untersuchen. „Wenn der Mais vergiftet ist, bekommen die Leute von uns Ersatzmais“, sagt Gesundheitsministerin Chartiy Ngilu. „Wir zahlen auch die Krankenhausrechnungen.“
Die Aflatoxinvergiftung passiert immer in dieser Jahreszeit. Im März, kurz vor Beginn der Regenzeit, wird der Mais gepflanzt. Solange er noch nicht reif ist, müssen die Leute die Ernte vom Vorjahr essen. Vor allem, wenn es zu wenig geregnet hat, zieht sich diese Periode hin. In diesem Jahr gab es zwar in den meisten Provinzen genug Regen, nicht aber im Norden und Osten. In Kwale, nicht weit von der Hafenstadt Mombasa, leben manche Menschen daher von wilden Früchten und Wurzeln. „Wir haben die Regierung um Hilfe gebeten“, sagt Distriktverwalter Fred Mutsami. „Sie hat uns 1.800 Säcke Getreide versprochen, aber nur 350 sind angekommen.“ In der Samburu-Region im Savannegebiet im Norden können viele Schulen kein Mittagessen mehr ausgeben – für viele Kinder die einzige Mahlzeit des Tages. Die meisten Bewohner dieser Gegend sind Hirten, die wegen des Regenmangels mit ihrem Vieh nun in andere Gebiete ziehen. „Vor einem Monate hatten wir noch 840 Kinder in der Schule, jetzt nur noch 435“, sagt Gabriel Zum, Leiter der Mugalani-Grundschule in Samburu.
Erst Ende Juli, wenn die allgemeine Maisernte beginnt, soll die Lage sich bessern. Aber das UN-Welternährungsprogramm WFP sagte letzte Woche, dass 1,4 Millionen Kenianer von Lebensmittelknappheit betroffen seien und ab August Hilfe bräuchten.