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Archiv-Artikel

Kein Kindermädchen für die Werbewirtschaft

EU-Verbraucherkommissar David Byrne kritisiert Deutschland wegen dessen Haltung zu den neuen Werberichtlinien

KÖLN taz ■ EU-Verbraucherschutzkommissar David Byrne fand im Feindesland klare Worte: Ein „Mysterium“ bleibe für ihn die Opposition der Bundesregierung zu den jüngsten Richtlinien zur Beschränkungen bestimmter Werbeformen. Allen voran der Tabakwerberichtlinie, die von Deutschland als einzigem EU-Land abgelehnt wurde. Auf Druck der Zeitungsverleger zog die Bundesrepublik in Brüssel vor Gericht. Und gewann Runde eins.

Auch gegen Byrnes Vorschläge für eine EU-Lebensmitteldeklaration wird hierzulande zu Felde gezogen: Behauptungen, dass der „starke Ansatz der Kommission ein Vorläufer für noch drakonischere Maßnahmen bis hin zum Verbot der Werbung für Alkohol und schnelle Autos“ sei, so Byrne beim Medienforum NRW, seien absoluter Unsinn: „Die Kommission hat nicht die Absicht, einen Nanny-State zu schaffen, bei dem ein kleinliches Kindermädchen über alles wacht.“ Hintergrund für die Initiative ist der vor allem in Deutschland und Großbritannien zunehmende Trend, Gesundheitsangaben wie „cholesterinreduziert“ oder „geringer Fettgehalt“ zur Produktwerbung einzusetzen. „Wenn ein Müsli 40 Prozent Zucker enthält, aber groß auf der Verpackung ‚gesunde Knochen‘ versprochen werden, weil Vitamine zugesetzt sind, ist das Irreführung“, sagte Byrne.

Jetzt sollten die EU-weit höchst unterschiedlichen Kriterien für Angaben wie z. B. „fettarm“ oder „leicht“ auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Dabei sei „ziemlich ironisch“, dass Medien mit ihrer Furcht vor weiteren Werbeausfällen tendenziös berichten würden. „Die Hauptpunkte der Verordnung stimmen eng mit dem deutschen Recht bei Lebensmittelangaben überein.“ Byrne: „Unter Umständen laufen wir Gefahr, dass Medien die demokratische Debatte behindern. Und riskieren, ihre eigene Leserschaft – und damit die Verbraucher – in die Irre zu führen.“

Ebenso überzogen seien die Ängste mit Blick auf bestimmte Slogans wie „Haribo macht Kinder froh“ oder „Red Bull verleiht Flügel“, denen angeblich ein Verbot drohe. „Wir gehen von einigermaßen intelligenten Verbrauchern aus“, sagte Byrne, er selber habe Gummibärchen dabei. STEFFEN GRIMBERG