: „Notlösung ist kein guter Ausgangspunkt“
Stadtsoziologe Dieter Hassenpflug hält die Bedingungen der geplanten Tropenhalle für „nicht besonders günstig“. Erlebnisparks haben im Osten starke Konkurrenz durch restaurierte Innenstädte, Erlebniskaufhäuser und Spaßbäder
taz: Herr Hassenpflug, die Cargolifter-Halle mutiert zum Tropenpark – ein brandenburgisches Hirngespinst?
Dieter Hassenpflug: Die Ausgangsbedingungen sind nicht besonders günstig. Eine Notlösung ist kein guter Ausgangspunkt – auch nicht für Freizeitparks und Erlebniswelten. Eine sehr genaue Machbarkeitsstudie wäre unerlässlich. Ich habe sehr große Bedenken, ob die Kriterien für ein erfolgreiches Bestehen bei diesem Projekt erfüllt werden würden.
Besteht in Ostdeutschland Bedarf an Freizeitparks?
Auf die Fläche und Einwohnerzahl Ostdeutschlands bezogen, kann ich das nicht bestätigen. Wichtiger scheint mir aber ein anderer Punkt: Wir müssen Freizeitparks immer auch im Zusammenhang mit alternativen Angeboten sehen. Besonders in den Städten.
An welche Angebote denken Sie?
Gerade die neuen Bundesländer haben eine vergleichsweise reichhaltige kleinstädtische Landschaft. Hier gibt es alte Residenzstädte und attraktive, restaurierte Innenstädte. Alternativen sind auch Malls, also Erlebniskaufhäuser. Wir haben sehr interessante Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen in der weiteren Umgebung. Die locken zahlreiche Besucher an. Beispielsweise Leipzig. Konkurrenz gibt es auch durch schon vorhandene Spaßbäder.
Was hätte denn anders gemacht werden sollen?
Man muss die Inszenierungsstrategien komplett überprüfen. Man braucht ein geeignetes Thema. Was für Möglichkeiten bietet die vorhandene Infrastruktur? Wie kann der ursprüngliche Zweck der Halle genutzt werden? Ein Tropenpark kann funktionieren. Man muss sich aber vor allem zwei Fragen vor Augen führen: Was ist die Zielgruppe? Inwiefern sprich der Park deren Lebensgefühl an? Verschiedene Zielgruppen müssen eingeplant werden. Nur ein Angebot reicht meistens nicht, da ständig eine hohe Frequenz von Besuchern aufrechterhalten werden muss.
Eine ausreichende Konzeption für den Erlebnispark gibt es also nicht?
Bisher reichen die Überlegungen meiner Meinung nach nicht aus. Vielleicht gelingt ja die Strategie der Beeindruckung – nach dem Motto „Big is beautiful“. Problematisch wird es aber nach den Besuchen der ersten Monate. Gibt es erst einmal Einbrüche bei den Besucherzahlen, kann das verheerende Folgen haben. In ein leeres Restaurant geht ja irgendwann auch keiner mehr rein.
Bisherige Einschätzungen sehen vor allem Senioren und Familien als Zielgruppe. Geht dieser Plan auf?
Rentner sind im Allgemeinen besonders dankbare Kunden. Sie haben stabile Einkommen und viel Zeit. Ob für sie allerdings ein Tropenpark geeignet ist, bleibt fraglich. Kinder sind eine starke Konsumentengruppe, die Druck ausübt. Im Fernsehen werden Wünsche nach der Südseeinsel geweckt, bald haben sie die dann vor der Haustür. Letztlich hängt alles von einem integeren Konzept ab. INTERVIEW: HANNES HEINE
Dieter Hassenpflug lehrt Stadtsoziologie an der Bauhaus-Universität Weimar und forscht schon lange zum Thema Freizeitparks und Erlebniswelten