: Wer dem Beißzahn folgt
Das Anime „Vampire Hunter D“ begibt sich auf Draculas Spuren. Die sexuellen Ambivalenzen fehlen, dafür gibt es wüsten Genremix
Komischerweise kennen die Japaner kein Dazwischen: Während in Hardcore-Mangas nackte Frauenkörper aufgespießt werden und sich Taranteln ihren Weg zum Schoß der Welt erkrabbeln, dürfen sich Mann und Frau in manchen Kunstfilmen nicht einmal in die Augen sehen. Umso kurioser scheint es, dass sich die japanische Comic-Serie „Vampire Hunter D“ seit nunmehr 22 Bänden mit dem Dracula-Mythos befasst. Schließlich schreit dieses Genre nach Zwischenbereichen, sexuellen Ambivalenzen und abgründigen Fantasien. Schon Kleists Penthesilea würdigte die seltsame Erotik des Bisses: Am Ende der Tragödie zerfleischt sie den Geliebten: „Küsse, Bisse/Das reimt sich, und wer recht vom Herzen liebt,/ Kann schon das eine für das andere greifen.“
In der Zeichentrickfilmfassung von „Vampire Hunter D“ steht zwar eine Liebesgeschichte im Mittelpunkt, doch wartet man hier vergebens auf den schmachtenden Vampir, der endlich in den weißen Schwanenhals der Angebeteten beißen will, um sie zur Seinen zu machen. Auch des Opfers latent-lüsterne Faszination für den Fremden fällt unter den Tisch. Keine bleckenden Zähne, nichts da mit tief ausgeschnittenen Dekolletés, unter denen es verführerisch pulst. Stattdessen werfen sich Meier Link und Charlotte in „Vampire Hunter D“ endlos schmachtende Blicke zu. Sie ist dem Beißzahn sogar freiwillig gefolgt, während er, ganz einfühlsames Sensibelchen, nicht zuschnappt, will er ihr doch das Leid des ewigen Lebens ersparen. Aufopferung statt Lust, Romantik statt Erotik.
Auch weitere Vampirschmankerl machen sich rar und überlassen die Gruft einem wüsten Genremix. Der allseits geschätzte Wissenschaftler und seine Herzdurchbohrungen wurden durch den titelgebenden Vampirjäger und dessen magische Kräfte ersetzt. Er ist ein Zwitterwesen, halb Mensch, halb Vampir, dessen spitzestes Körperteil seine Nase ist. Wie ein Lonesome Cowboy wird er stilisiert, wenn er hoch zu Ross auf Jagd geht. Auch ein durchgeknalltes Trüppchen Kopfgeldjäger hängt sich an die Fersen von Meier Link und seinem Schatz. Mit ihren Superwummen, hypermodernen Funkkopfhörern und archaischem Gehabe könnten sie glatt dem letzten „Mad Max“ entsprungen sein. Natürlich sollte man sich nicht korinthenkackerhaft in den Regeln des Genres verbeißen und dafür den liebevoll düster gezeichneten Gothic-Style würdigen, die choralen Gesänge, den Samurai-Werwolf oder das Transformationsmonster. Dass die Vampire letztlich einsame Aliens sind, die mit einer urzeitlichen Rakete ins All abhauen, ist dann aber doch ein bisschen viel. ANKE LEWEKE
„Vampire Hunter D.: Bloodlust“, Regie: Yoshiaki Kawajiri u. Tai Kit Mak. Japan 2000, 103 Minuten