: Otto I. – ein warnendes Beispiel für Otto II.
Nicht der Fußballtrainer Rehhagel begründet die griechische Ottokratie, sondern ein gescheiterter bayerischer König
BERLIN taz ■ Noch wird König Otto II. auf Händen getragen. Doch dem Trainer der griechischen Fußballnationalmannschaft, Otto Rehhagel, könnte es irgendwann so ergehen wie seinem zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Vorgänger. Otto I., bayerischer König von Griechenland, ist 1862 mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt worden. Was passiert, wenn Otto II. morgen das Viertelfinale gegen Frankreich vergeigt? Wandelt Otto II. etwa auf den Spuren seinen Namensvetters?
Dabei war die Begeisterung in Griechenland auch damals groß, als der Sohn des bayerischen Königs Ludwig I. (nicht zu verwechseln mit dem „Märchenkönig“ Ludwig II.) 1833 die Königskrone aufs Haupt gesetzt bekam. Anders als bei Otto II. Rehhagel hatten die Griechen bei seiner Bestallung kein Sterbenswort mitzureden. Es waren Europas Großmächte, die nach dem Sieg im Unabhängigkeitskrieg über das Osmanische Reich unter sich den neuen Herrscher auskungelten. Auf den damals 17-jährigen Otto fiel die Wahl aus zwei Gründen: Andere Bewerber sagten dankend ab, weil ihnen das neue Griechenland zu mickrig ausgestattet schien. Und Bayerns Ludwig hatte sich ganz besonders der philhellenischen Begeisterung hingegeben und bayerische Freiwillige im fernen Hellas unterstützt.
„Hellenen! Berufen durch das Vertrauen der erlauchten großherzigen Vermittler, mit deren maechtigem Beistande ihr aus einem nur allzu langen Vertilgungskriege glorreich hervorgegangen seid – berufen durch euere freye Wahl, besteige ich den Thron Griechenlands.“ So lautete die feierliche Proklamation Ottos am 25. Januar 1833 an seine Untertanen. Im Kabinett des jungen Monarchen hatten Griechen freilich keine Stimme – die Regierung bestand ausschließlich aus Bayern. Das sorgte schon früh für Unmut.
Ottos Hinterlassenschaften sind auch heute noch zu besichtigen. Das Grundmuster der Hauptstraßen Athens geht auf deutsche Architekten zurück. Otto brachte deutsche Archäologen mit, die erstmals das klassische Hellas systematisch erforschten. Otto gründete die Athener Universität.
Otto liebte zweifellos sein Land, das er in die Moderne führen wollte. Er erlernte Griechisch. Doch maßlos war seine Selbstüberschätzung, gepaart mit Unerfahrenheit.
Der Ausschluss griechischer Politiker führte schließlich zur ersten Revolution: 1843 trotzten die Untertanen ihrem König einen Teil der Macht ab. 19 Jahre später, nach wiederholten Revolten, war es mit der ersten Ottokratie zu Ende. Nach erfolgreichem Putsch wurde die bayerische Dynastie für abgesetzt erklärt. Ein britisches Kriegsschiff brachte Otto nach Venedig, von dort ging es zurück nach Bayern.
Doch auch am Münchner Hof wollte man von ihm nichts mehr wissen. Otto nahm seine Residenz in Bamberg. Dort ist er am 26. Juli 1867 gestorben, ohne jemals wieder sein geliebtes Griechenland gesehen zu haben.
KLAUS HILLENBRAND