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Archiv-Artikel

„Ewig herumgewurschtelt“

Viele Unternehmen kommen aus Angst zu spät zur Insolvenzberatung, sagt Anwalt Torsten Martini. Und nicht immer ist die Finanzmarktkrise schuld an der Pleite

TORSTEN MARTINI, 36, ist Insolvenzverwalter bei der Berliner Kanzlei Leonhardt-Westhelle & Partner.

taz: Herr Martini, die Auskunftsdatei Creditreform prognostiziert für Berlin in diesem Jahr 1.700 Insolvenzen. Wagen Sie eine ähnliche Prognose?

Torsten Martini: Es wird eine signifikante Zunahme geben, aber das zu beziffern geht nicht. Ich glaube allerdings, wir haben das Schlimmste bei Weitem noch nicht hinter uns.

Spüren Sie als Insolvenzberater bereits die Krise?

In Berlin gibt es derzeit nur eine einzige Auswirkung, die ich sehe: Es ist schwieriger geworden, Immobilien neu zu finanzieren. Investoren, die mir im vergangenen Jahr noch Interesse zum Beispiel an Immobilien aus dem sozialen Wohnungsbaufonds bekundet haben, springen wieder ab, weil die finanzierende Bank nicht mehr mitmacht.

Viele Pleiten liegen also gar nicht an der Krise?

Als Geschäftsführung ist es sicherlich leichter, dem Insolvenzverwalter zu sagen, es liegt an der Finanzmarktkrise, als zu sagen, ich habe den Markt falsch eingeschätzt und Managementfehler gemacht.

Welche Fehler sind das?

In der Bauwirtschaft sind fehlkalkulierte Aufträge ganz beliebt. Da wird ein Auftrag einfach nur angenommen, um die Leute zu beschäftigen, obwohl man weiß, der Auftrag ist unterkalkuliert, und man macht damit Verlust. Irgendwann wird sich das rächen. Den Fehler, den alle Betriebe immer wieder machen: Statt dass man einfach den Insolvenzantrag stellt, wird ewig lang herumgewurschtelt.

Aus Angst vor Ihnen?

Es ist wahnsinnig häufig so, dass die Leute zu uns kommen, wenn schon alles zu spät ist, weil die Insolvenz für sie ein rotes Tuch ist. Da ist auch viel Unwissenheit dabei. Ich erlebe das jeden Tag: Wenn die Leute einmal bei uns sind und mit uns sprechen, merken sie, dass wir konstruktiv an einer Lösung zur Sanierung arbeiten und nicht einfach nur absperren und die Leute nach Hause schicken.

Ist es für Sie als Insolvenzverwalter in den letzten Monaten schwieriger geworden, bei den Banken Geld für die Sanierung lockerzumachen?

Es gibt weniger Leute, die bereit sind, Risikokapital in eine heruntergewirtschaftete Firma zu stecken, weil sie davon ausgehen, dass die Umsätze irgendwann anziehen werden. Sie kriegen aber in der Insolvenz wie auch ein Unternehmer mit einem vernünftigen Produkt genauso einen Kredit wie vorher.

INTERVIEW: GRIT WEIRAUCH