: Der ausgezehrte Mythos Babelsberg
Seit über 90 Jahren werden in Babelsberg Filme gedreht. In den Studios entstanden zahlreiche Kinoklassiker. Auchin den letzten Jahren gab es Spitzenleistungen, doch zu wenige. Erfolgreicher sind die benachbarten TV-Produzenten
In Potsdam-Babelsberg werden seit 1912 Filme gedreht. Die Studios stellten die Konkurrenz aus Hollywood in den 20er- und 30er-Jahren in den Schatten, als die Ufa hier serienweise Publikumserfolge und Klassiker wie Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“ oder „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich produzierte.
Von diesem Mythos zehrt Babelsberg noch immer: 1929 wird mit dem Tonkreuz der erste tonfilmtaugliche Studiokomplex gebaut, ein neues Filmzeitalter hält Einzug und sorgt für die wohl größte Blüte des deutschen Films. Und dann kam der Nationalsozialismus. „Von 1933 bis 1945 wurden rund 1.000 Spielfilme in den Hallen und auf dem Gelände gedreht. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ließ der Neuanfang nicht lange auf sich warten“, drückt sich die offizielle Studiochronik um die unter ganz besonderen Gesichtspunkten effektivste Produktionsphase herum: Die staatliche Ufa mit ihrem Zentrum Babelsberg war eine der wesentlichen Stützen des NS-Propagandaapparats. Nach Kriegsende wurde aus der Ufa die Defa, die bis zum Ende der DDR über 700 Spielfilme in Babelsberg drehte – etwa „Jakob der Lügner“ von Frank Beyer, der 1975 als einziger DDR-Film für einen „Oscar“ nominiert wurde.
Die Treuhand privatisierte die Defa 1992 und verkaufte die Studios für rund 70 Millionen Dollar an den französischen Medienkonzern Vivendi. Erster Studiochef wurde Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, der in den folgenden acht Jahren gelinde gesagt alles andere als erfolgreich operierte. Zwar hielt jetzt auch das Fernsehen verstärkt Einzug in Babelsberg, doch Erfolg hatte eher der Betrieb direkt neben dem Traditionsstudio: Dort produziert die heutige Ufa, eine Tochter des Bertelsmann-Konzerns, höchst erfolgreiches Fernsehen von der Stange („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“).
Zehn Jahre lang, so die Auflagen der Treuhand, musste Vivendi die Babelsberger Studios halten. Wechselnde Geschäftsführer scheiterten an den Vorgaben aus Paris, schafften aber wie Arthur Hofer mit den Produktionstochter Babelsberg Independents immer wieder Spitzenleistungen. Allein: zu selten. Darüber können auch internationale Großproduktionen wie das Stalingradepos „Enemy at the Gate“ nicht hinwegtäuschen. 2002 feuerte Vivendis Deutschland-Statthalter Thierry Potok unmittelbar vor der großen 90-Jahre-Jubiläumsgala die Studiochefin Gabriela Bacher und übernahm den Betrieb selbst. Jetzt will er ihn per Management-Buy-out kaufen. STEFFEN GRIMBERG