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Archiv-Artikel

Der unliebsamste Tourist aller Zeiten

US-Präsident George W. Bush beim US-Europa-Gipfel in Irland: Die größte Sicherheitsoperation in der Geschichte des Landes geht den BewohnerInnen der Insel gewaltig auf die Nerven. Bush freut sich auf Bilder vor irischer Kulisse

DUBLIN taz ■ Der Tourismus gehört zu den wichtigsten Einnahmequellen Irlands. Die Fremdenverkehrszentrale hat eine Menge Geld in die Werbung in Übersee gesteckt, denn seit den Anschlägen vom 11. September reisen die US-Amerikaner viel zu selten nach Irland. Nur ihr Präsident ist gern unterwegs. Auf den hätten die Iren lieber verzichtet.

George W. Bush landete gestern Abend auf dem westirischen Flughafen Shannon und flog per Hubschrauber weiter ins benachbarte Dromoland Castle, wo er Bertie Ahern, den Taoiseach, traf – das heißt „Häuptling“ und ist die offizielle Bezeichnung für den irischen Premierminister. Der hat für seinen Gast die größte Sicherheitsoperation in der Geschichte Irlands angeordnet.

6.000 Soldaten und Polizisten, 700 US-Agenten sowie die Angestellten diverser privater Sicherheitsfirmen sind im Einsatz. Jeder Kanaldeckel zwischen dem Flughafen und der Burg wurde aus Angst vor Untergrundkämpfern zugeschweißt. Die Gepäckaufbewahrung im Flughafen, das ist ja wohl selbstverständlich, hat schon vor einer Woche dichtgemacht. Wer noch seinen Koffer dort stehen hat, kann ihn getrost vergessen. Ein Pub am Rande des Flughafens musste für das Wochenende schließen, weil irische Rebellionen stets in Kneipen ausgeheckt wurden.

Im vorigen Jahr hat eine irische Kriegsgegnerin ein fast neues US-Kampfflugzeug in Shannon mit einer Axt angegriffen und mehr als eine Million Euro Schaden angerichtet. Diesmal darf kein Fremder auch nur in Sichtweite des Flughafens. Die Bewohner im Umkreis von fünf Kilometern wurden verhört, 3.000 Familien kommen nur mit Passierschein in ihre Häuser, eventuellen Besuch an diesem Wochenende mussten sie bereits vor drei Monaten anmelden. Das letzte Mal, dass die Iren öffentlich erklären mussten, wer sich bei ihnen zu Hause aufhielt, war während der Schreckensherrschaft der Black and Tans, einer britischen Söldnertruppe, vor mehr als 80 Jahren.

Was die Anwohner am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass nach dem Rotationsprinzip eigentlich Washington dran gewesen wäre, den Gipfel auszurichten. Aber in den USA herrscht Wahlkampf, und ein paar Fotos des Präsidenten vor einer zünftigen irischen Burg machen sich bei den US-irischen Wählern gut. Heute wird Bush von Irlands Präsidentin Mary McAleese geweckt, um kurz vor 11 beginnt der europäisch-amerikanische Gipfel, der um 13.40 Uhr mit einer Pressekonferenz schon wieder vorbei ist. Danach fliegt Bush in die Türkei.

Bushs Stippvisite beendet die irische EU-Präsidentschaft. Premierminister Ahern kann zufrieden sein. Zwar ist seine durch und durch korrupte Fianna-Fáil-Partei bei den Wahlen vor zwei Wochen bestraft worden, aber in Europa glänzte er: Es gelang ihm, die EU-Verfassung durchzuboxen, so dass die Franzosen von der „besten Präsidentschaft aller Zeiten“ sprachen. Aherns Chancen, am Dienstag zum EU-Kommissionspräsident gewählt zu werden, stehen daher nicht schlecht. Das will er sich nicht in letzter Sekunde dadurch vermasseln lassen, dass der US-Präsident vor Aherns Haustür Schaden erleidet. RALF SOTSCHECK