: Auf den Cent genau berechnet
Nicht nur Filmrollen werden gezählt: Die Vergabe-Entscheidungen der Förderinstitution „Nordmedia“ lassen auf eine lebendige Film-Region schließen – und auf ein nicht besonders unbürokratisches Antragsverfahren
Wer in Niedersachsen und Bremen als unabhängiger Filmemacher, Kinobetreiber oder Festivalorganisator arbeitet, kommt kaum darum herum, Förderungsanträge bei der „nordmedia“ zu stellen. Diese werden so detailliert angefordert, dass möglichst jede Klorolle aufgeführt werden sollte, und so kommt es dann zu so krummen Fördersummen wie die 8.255 Euro, die das 10. Queerfilmfestival des Bremer Kommunalkinos erhält, oder 11.922 Euro und 50 Cent für den Dokumentarfilm „Lizenz 1“ der Produktionsfirma „Sur Films“ über das Frauenboxen in Argentinien.
Beide gehören zu den 42 Projekten, die auf der zweiten Sitzung dieses Jahres des zwölfköpfigen Vergabeausschusses bewilligt wurden. 3,1 Millionen Euro konnten dort verteilt werden, im Jahr stehen etwa 10 Millionen zur Verfügung. Der Ausschuss entschied über etwa 100 Anträge, die „Gewinnquote“ liegt also etwa bei 40 Prozent. Gefördert werden Stoff- und Projektentwicklungen, Film-, Fernseh- und Multimediaproduktionen, Verleih-, Vertriebs- und Verbreitungsprojekte, Filmfestivals, -tage und -programmreihen sowie Kinoinvestitionen.
Wenn man die Liste durchgeht, bekommt man einen guten Eindruck davon, wie fruchtbar die hiesige Filmszene wirklich ist. Ob die Welt nun wirklich noch einen Thriller wie „Schwarzer Mond“ von Kai Uwe Hasenheit braucht, darf bezweifelt werden. Und auch, ob die 2D-Cartoon-Animationsserie „Famous Last Minutes“ über die letzten Minuten im Leben von Berühmtheiten wie Jennifer Lopez tatsächlich demnächst auf MTV laufen werden, ist fraglich. Aber eine phallische Liebeskomödie um einen „armen friesischen Bauernjungen“ und seinen Weltrekordversuch im Pfahlsitzen – „Sportsmann des Jahrhunderts“, mit 300.000 Euro bedacht – könnte sich als ein sehr vergnüglicher Film entpuppen.
Bei den geförderten Fernseh-Features und Dokumentationen kassieren harmlose Projekte das meiste Geld; so bekommt Jean Boué für seine Reportage „Schönes Dorf“ über den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ 27.363 Euro und 71 Cent, die „Vogelparadiese in Niedersachsen“ von Sabine Schlemmer erhält 45.578 Euro, und beide werden vom NDR noch mit zusätzlichen Aufstockungsmitteln in der gleichen Größenordnung ausgestattet. Ein politisch so ambitioniertes Projekt wie „Josef – der kleine Soldat“ von Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz über Kindersoldaten in Uganda erhält zwar von nordmedia 51.533 Euro. Von der Rundfunkanstalt wird es jedoch offenbar für nicht sendefähig erachtet – und somit auch als nicht-förderungswürdig.
Mit seinem Roadmovie über Leute, die aus einem Behindertenheim ausbüchsen und sich auf den Weg nach Frankreich machen, hatte der Bremer Filmemacher Eike Besuden im vergangenen Jahr einen großen Publikumserfolg gelandet. Doch die Produktionskosten hat „Verrückt nach Paris“ noch längst nicht eingespielt. Deshalb backen Besudens Geisberg Studios nun kleinere Brötchen mit Projekten wie „Braunschweig und Umgebung“ (37.398 Euro).
Der Göttinger Filmverleih „Die Lupe“, der Klassiker wie „Casablanca“ oder „Die Buddenbrooks“ in niedersächsischen Kinos zeigt, wird mit 6.000 Euro unterstützt, und die zweite „99 Euro“ Kurzfilmrolle des Filmfests Oldenburg mag zwar extrem billig in der Produktion gewesen sein, aber für Verleihkopien und den Vertrieb sind die Fördermittel von 15.000 Euro dann doch nötig. Kinoumbauten in Clausthal, Bruchhausen-Vilsen und Lüchow werden ebenso gefördert wie das „Mobile Kino Niedersachsen“, das „Filmkultur zurück in die kinolosen Orte“ bringt.
Wilfried Hippen