Beachtlicher Schuss ins Blaue

betr.: Ulysses-taz vom 16. 6. 04

Wunderbar, diese Rubatoemission, die mit ihren retardierenden Elementen viel länger vorhielt als die oft so vergänglichen Ausgaben. Ob die AutorInnen nach diesem lustvollen Spaß wieder zum schnöden Tagesgeschäft zurückkehren mochten? Zwar waren die Stücke von unterschiedlicher Qualität und manche literarischen Formen nicht gerade sehr palatabel, aber die Gesamtanstrengung war ein beachtlicher Schuss ins Blaue.

Außerdem zeigte sich, warum die taz so anders ist: Die AutorInnen können eben auch schreiben, und so werden in der taz selbst die drögesten Themen lesbar. Natürlich enthielt auch diese Ausgabe aktuelle politische Themen, sie waren nur besser literarisch verpackt. Was bedeutet im Übrigen schon das so genannte politische Tagesgeschehen im Schlagschatten eines literarischen Monumentalepos wie Joyces „Ulysses“? Genau wie die Bibel oder Shakespeares Werk vermag es viele Bedürfnisse zu befriedigen und wirkt auf den unterschiedlichsten Ebenen (nach). Dumm, wer sich diese Chance eines befreienden Sprungs in den Kosmos der Universalität entgehen und die Bloomsday-Ausgabe der taz gleich in den Müll wandern ließ.

Ich hoffe, dass es auch für das 125-jährige Bloomsday-Jubiläum eine Sonderausgabe geben wird – diesmal vielleicht mit LeserInnenbeiträgen mit der Auflage, dass die Texte auf Altirisch oder Altgriechisch abzufassen sind (da hätte man noch ein paar Jahre Zeit, seine Kenntnisse dieser alten Sprachen zu reanimieren), auch auf die Gefahr hin, die notorischen Nörgler und gradlinigen Nachrichtenkonsumenten vollends zu vergrätzen …

Slán agus beannacht! EVELYN WITT, Hamburg

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