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Archiv-Artikel

Der ökologische Deckmantel

Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds: Wie Banken die Macht über das Kapital zurückgewinnen. Fonds suggerieren mitunter fälschlicherweise, die darin vertretenen Werte seien ökologisch verträglich

Hans-Jürgen G. aus Bad Homburg wollte in seinem Leben einiges für die Umwelt bewegen. Sein kleines Vermögen beschloss er daher in einen Fonds zu investieren, der auch seinen Wertvorstellungen entspricht: ökologisch verträglich. Sein Bankberater bei der HypoVereinsbank empfahl Herrn G. eine Anlage in den Activest Lux Ecotech. Dieser Aktienfonds investiere in ökologisch orientierte Unternehmen.

Herr G. ist ein politisch und ökologisch engagierter Mensch. Daher ärgerte er sich während des Krieges gegen den Irak immer wieder etwa über die Verflechtungen von US-Erdölfirmen wie Halliburton und Politikern. Der heutige amerikanische Vizepräsident Dick Cheney beispielsweise war einst Chef dieser Erdölfirma, die auch dem Militär zuliefert. Solche Firmen wollte Herr G. nicht mit seinem Geld finanzieren. Kurz nach dem Ende des Irakkriegs entdeckte er, dass sein im vermeintlichen Ökofonds der HypoVereinsbank angelegtes Geld auch in die Aktien von Halliburton investiert ist: Halliburton war im Activest Lux Ecotech im Frühjahr 2003 größter Anlageposten, geht aus einem Datenblatt der Investmentgesellschaft hervor.

Dies ist kein Einzelfall. Begriffe wie „ökologisch“, „nachhaltig“ und auch „sozial“ werden heute nicht selten als Deckmäntelchen für Fonds verwendet, die sich zunehmend konventionellen Aktienfonds angleichen. Über Geld zu verfügen ist Macht. Und diese Macht wollten die Investoren kontrollieren, ihre monetäre Macht gezielt nutzen. Der Boykott bestimmter Unternehmen oder Länder, wie etwa das Napalm produzierende Unternehmen Dow Chemical oder das einstige Südafrika zu Zeiten der Apartheid, standen im Vordergrund. Im Zuge der ökologischen Bewegung zielten deutsche Investoren vor allem auf die Förderung erneuerbarer Energien.

Dieses Anlegerverhalten des gezielten Kapitaleinsatzes haben auch die Finanzstrategen der Banken und Investmentgesellschaften mitbekommen. Seit der zweiten Hälfte der 90er-Jahre forcierten die Vertriebsprofis Begriffe wie „Öko“ und „Nachhaltigkeit“ auch im Geldwesen: Immer mehr Fonds enthalten seitdem „Öko“ in Namen, die „Nachhaltigkeitsfonds“ wurden kreiert. Das englische Wort „Sustainability“ hat zwar eine sehr weit auslegbare Bedeutung, transportiert jedoch stets positive Assoziationen wie Verantwortung, Generationengerechtigkeit und Dauerhaftigkeit. In der internationalen Politik erhielt Sustainability durch die UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 erstmals zentrale Bedeutung – und findet seitdem in immer mehr Marketingkonzepten Anwendung.

Den enormen Nutzen dieses amorphen semantischen Gebildes haben als Erste die Bankstrategen in der Schweiz erkannt – neben Sarasin und SAM auch die Großbanken UBS sowie Credit Suisse. SAM schuf sogar einen viel beachteten Nachhaltigkeitsindex, tat sich allerdings zunächst sehr schwer damit, zu benennen, mit welchen Werten er inhaltlich gefüttert wird – ein fundamentaler Bruch mit dem Transparenzgedanken, der Bestandteil der Kontrolle über das Kapital ist. Auch in Deutschland schießen seit Jahren die Nachhaltigkeitsfonds selbst bei Großbanken aus dem Boden.

Aus Vertriebssicht sind die neuen Produkte genial: Mit Nachhaltigkeit können die Fondsvertriebe fast alle Geldtöpfe erschließen, auch die Kassen kirchennaher Gruppen, sozial engagierter Menschen und der Umweltbewegten. Vermarktet wird dabei das Label, Anleger schauen dann meist nicht mehr so sehr auf die tatsächlichen Inhalte der Fonds. Externe Agenturen, deren Namen meist Begriffe wie „Öko“, „Umwelt“ oder „Ethik“ enthalten, ersetzen die ethischen Vorstellungen durch so genannte Ratings und nehmen dem oberflächlichen Investor vermeintlich die Kontrolle der tatsächlichen Inhalte ab.

Mit großem Aufwand positionieren sich daher Banken als nachhaltig, werden Investmentfonds als „eco“ oder „ethisch-ökologisch“ gelabelt. Das verkauft sich gut. Profiverkäufer der Investmentbranche organisieren in Klöstern Nachhaltigkeitsseminare, sprechen vom Nutzen der Nachhaltigkeit – natürlich auch für den Anleger. Die gleichen Verkaufsprofis, die wenige Jahre zuvor noch die Telekommunikationsfonds angepriesen haben, preisen heute Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Umweltschutz.

So beispielsweise auch der AXA-Fonds European Socially Responsible Equities. Die Agentur Morningstar verpasste ihm passable drei Sterne, von S&P-Rating erhielt der Fonds gar vier. Aber: An der Spitze der Top-Ten bei den investierten Papieren liegt als größte Position die britische Shell Transport and Trading Company (4,4 Prozent), mit geringem Abstand folgen etwa der US-Handelsriese Procter & Gamble sowie Johnson & Johnson, der laut AXA-Factsheet von Juni 2003 zwar in der Branche „Gesundheitswesen“ angesiedelt wird, aber bekanntlich auch Produkte der Bereiche Haushaltschemie und Körperpflege vermarktet.

Nun könnten die Banken und Investmentgesellschaften das Argument bringen, eine Aktienmarktinvestition der anvertrauten Gelder ließe sich nicht anders organisieren. In der Tat sind in den vergangenen Jahren Milliardeninvestitionen in Umwelt, Ethik- und Nachhaltigkeitsfonds geflossen. Viele Fondsmanager müssen aus Performance- und Liquiditätsgründen daher immer mehr in die Aktien mit hohem Börsenhandelsvolumen investieren. Dies sind meist Unternehmen der Telekommunikations- und Elektronikbranche, konventionelle Banken und Versicherungen, aber eben auch Öl- und Gasunternehmen. Selbst der New Energy Fund (Slogan: „Erneuerbare und Innovative Energien“) der Oekorenta und Sarasin investiert in Shell und BP.

Hinter der dreisten Vermarktung steckt System: Das Finanzwelt-Establishment hat so auf die Gefahr reagiert, einen bedeutenden Teil der Kapitalanleger zu verlieren. Der drohende Paradigmenwechsel vom neutralen, unpolitischen Geld zum wertorientierten, politischen Kapital konnte mit einem geschickten Marketing entschärft worden. Der private Ökoinvestor sollte sich jedoch nicht von einem assoziationsreichen Label blenden lassen, sondern die Fondszusammensetzung sehr sorgfältig unter die Lupe nehmen. THOMAS HOFFMANNPHILIPP SPITZ

Die Autoren sind für Murphy & Spitz Umwelt Consult in Bonn tätig. Murphy & Spitz ist auf Kapitalanlagen im Umweltbereich spezialisiert