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Archiv-Artikel

Grün ist Balsam für die Seele

Optik und Ästhetik spielen für die meisten Kölner bei der Gebäudebepflanzung ein größere Rolle als der Umweltaspekt. Dabei isolieren immergrüne Fassadenpflanzen bestens und filtern Schwermetalle

Von Stefanie Liebl

In der Lübecker Straße steht ein hoher, kastenförmiger Wohnturm, wie es in Köln viele gibt. Hier leben Menschen, die auf weitläufige Gärten und bunt bepflanzte Sommerterrassen verzichten müssen. Dennoch ist das Hochhaus kein tristes Mehrfamilienheim: Die dreispitzige Jungfernrebe rankt sich hier an den steilen Hauswänden entlang. Bis hinauf zu den obersten Stockwerken hat das Immergrün inzwischen selbst den letzten grauen Winkel überdeckt. Für Menschen, die in einem solch vielgeschossigen Haus wohnen, sei die Gebäudebepflanzung wichtig fürs seelische Wohlbefinden, erklärt Manfred Thönnessen vom Geographischen Institut der Universität Köln.

„Nicht der Umweltaspekt ist beim Thema Fassadenbegrünung heute gefragt“, meint der Wissenschaftler. „Optik und Ästhetik haben für Menschen, die mitten in der Stadt leben, eine viel größere Bedeutung bekommen.“ Gemeinsam mit seinen Studenten und Mitarbeitern hat Thönnessen innerhalb der „Forschungsgruppe Fassadenbegrünung“ in Zusammenarbeit mit der Stadt eine Bürgerbefragung in der Kölner Innenstadt durchgeführt. Dabei gaben 80 Prozent der Befragten mit und 75 Prozent der Bewohner ohne Gebäudebepflanzung an, dass für sie die Vorteile einer Fassadenbegrünung überwiegen. Bei beiden Gruppen spielten jedoch weniger die Klimaverbesserung oder Staubfilterung durch die Fassadenpflanzen eine Rolle, sondern die Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität.

„Das gibt einfach ein schönes Ambiente und ist gut fürs Wohlbefinden, wenn man in einem schön begrünten Haus lebt“, erzählt Elisabeth Steilberger, die in der Paulistraße wohnt, wo sich fassadenbegrünte Häuser eng aneinander reihen. Auch Elke Meyer, Besitzerin eines klassischen „Dreifensterhauses“ in Nippes, ist stolz auf ihre „schöne Clematis“ an der Hausfassade, erinnert sich aber auch an anfängliche Schwierigkeiten mit der Begrünung: „Weil unser Haus unter Denkmalschutz steht, durften wir nichts pflanzen, was sich mit den Wurzeln in den Mauern festhält – also weder Efeu noch Wein, wie eigentlich geplant war.“ Und zufrieden stellt sie fest: „Zum Gück hat das Pinkeln in unsere Begrünung deutlich abgenommen.“

Auch wenn für die Stadtbewohner die Wirtschaftlichkeit beim Thema Gebäudebepflanzung eher an zweiter Stelle rangiert, ist er für Thönnessen ein wichtiger Nebenaspekt: „Fassadenpflanzen haben eine sehr hohe Staubfilterleistung, sie isolieren und sind gut fürs Stadtklima.“ So hat Thönnessen in seiner Doktorarbeit belegt, dass ein Quadratmeter begrünter Fassadenfläche in der Innenstadt mehr Schwermetalle filtert, als im Durchschnitt innerhalb der Stadtgebietsgrenze einer deutschen Großstadt niedergehen.

Dass Fassadenpflanzen aber nicht nur Vorteile mit sich bringen, weiß Thönnessen. „Während der Ökophase in den 70er und 80er Jahren haben alle gesagt: Fassadenbegrünung ist toll und muss gefördert werden. Leider hat niemand darüber nachgedacht, dass die Pflanzen auch irgendwann die Dachrinnen erreichen, diese verstopfen oder dass beispielsweise Efeu-Pflanzen auch an rissigen Gebäudestrukturen Schäden anrichten können.“ So beobachtet Thönnessen, dass die Fassadenbepflanzung in Großstädten immer weiter rückläufig ist oder dass vorhandene Pflanzen, wie am alten Rathaus in Köln, entfernt werden.

„Das wäre nicht nötig, wenn sich die Menschen über die richtige Pflege der Fassadenpflanzen erkundigen würden“, so Thönnessen. Mit ein Grund für den Rückgang der Gebäudebegrünung sei aber auch, dass die Stadt keine Fördermittel mehr für die Bepflanzung und Pflege übrig habe. „Die Fördermittel für Fassadenbegrünung wurden 2002 vollständig gestrichen“, bestätigt Manfred Grieser vom Amt für Landschaftspflege und Grünflächen. „Eine kostenlose Beratung führen wir aber noch durch.“

Informationen: 0221/ 22 12 49 85