: Folterandrohung als „Verfahrenshindernis“
Magnus G.s Anwalt droht mit Verfassungsklage. Erfolg hätte er damit wohl kaum. Aber er würde eine fällige Folter-Debatte auslösen
FREIBURG taz ■ Anwalt Hans Ulrich Endres hatte es mehrfach angekündigt. Er werde zum Bundesverfassungsgericht gehen, wenn das Landgericht die „besondere Schwere der Schuld“ feststelle und seinem Mandanten Magnus G. damit die Chance zur Haftentlassung nach 15 Jahren nehme. Sehr erfolgversprechend ist dieser Schritt aber nicht. G. wird wohl kaum in drei Jahren wieder frei sein, wie der Anwalt im Focus großspurig ankündigte.
Zunächst kann Endres ohnehin nur Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Erst wenn dieser das Frankfurter Urteil bestätigt, ist eine Verfassungsbeschwerde möglich. Dabei will Endres vor allem die angedrohte Polizeifolter thematisieren. Aus ihr soll, so Endres, ein „Verfahrenshindernis“ folgen, das den Prozess mitsamt Urteil null und nichtig machen würde.
So weit wird es aber kaum kommmen. Die deutsche Rechtsprechung geht mit der Annahme von Verfahrenshindernissen sehr zurückhaltend um. Selbst bei schweren Polizeifehlern gibt es meist nur Strafnachlässe. Außerdem hat sich das Gericht bemüht, das Vorgehen der Polizei im Prozess zu heilen. Mit einem Verwertungsverbot wurden nicht nur die Ergebnisse der Polizeivernehmung belegt – das stand außer Frage –, sondern auch ein (nun freiwilliges) Geständnis bei der Staatsanwaltschaft. Begründung: G. war nicht richtig über die Unverwertbarkeit seiner bisherigen Aussagen belehrt worden.
Es kann allerdings nicht schaden, wenn Karlsruhe sich noch mit dem Folterproblem befassen muss. Die Richter könnten dann klarstellen, dass staatliche Misshandlungen – auch die Drohung damit – unter keinen Umständen zu rechtfertigen sind.
Gründe für eine derartige Klarstellung gibt es viele. So hielt der Frankfurter Vizepolizeichef Wolfgang Daschner seine Gewaltandrohung noch im Nachhinein für zulässig. „Ich würde es wieder so machen“, erklärte er in Interviews. Geert Mackenroth, damals Vorsitzender des Richterbundes, sagte, Folter sei nur „im Prinzip“ verboten, „zur Rettung höherwertiger Rechtsgüter“ könne sie in Ausnahmefällen „erlaubt“ sein. Selbst Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hielt einen „rechtfertigenden Notstand“ für denkbar und hat dies bis heute nicht zurückgenommen.
Derweil läuft das Ermittlungsverfahren gegen Daschner und einen weiteren Polizisten immer noch. „Es werden noch Zeugen vernommen“, erklärte Staatsanwalt Rainer Schilling der taz. „Anschließend werden wir den Vorgang rechtlich bewerten.“ Er hofft, dass das Verfahren „noch in diesem Jahr“ abgeschlossen werden kann. Daschner hat in einem Aktenvermerk festgehalten, dass G. mit Schmerzen gedroht werden sollte, „wie er sie noch nie erlebt“ habe. Um die Drohung notfalls wahr zu machen, wurde extra ein kampfsportgeübter Polizist herbeigeholt. Die Folter sollte gefilmt und von einem Arzt überwacht werden. Daschner bestreitet allerdings, dass G. mit der Vergewaltigung durch „zwei große Neger“ gedroht worden sei.
Der Frankfurter Vizepolizeichef ist nach wie vor im Amt. CHRISTIAN RATH