Schau mir in die Augen, Kleines

Der Oger ist zurück: Der Disney-Film „Shrek 2“ treibt ein doppeltes Spiel mit dem Zeichentrick. Er entlarvt die gängigen Verfahren, unterwandert sie ironisch und besetzt sie dann auf elegante Weise neu. Und das macht einen Riesenspaß

VON BARBARA SCHWEIZERHOF

Zumindest für die Westler unter uns ist Disney eine Art Heimat nach Bloch'scher Definition: „Was jedem in die Kindheit scheint und wo noch niemand war.“ Der Name Disney stand für sehr viel mehr als eine Produktionsfirma für Animationsfilm, er war Synonym für eine ganze Welt, für einen unerreichbaren Ort von Sehnsucht, Abenteuer und Selbstvergessenheit im Lachen. Tatsächlich eine Art „far, far away“, nicht unähnlich jenem Königreich „weit, weit weg“, das der Oger Shrek und seine angetraute Prinzessin Fiona nun in Andrew Adamsons „Shrek 2“ bereisen. Und dieses Königreich wiederum ist eine Zeichentrickversion von Hollywood, samt Schriftzug über den Hügeln und Sunset Boulevard.

Der Sinn für das Parodistische in der Animation macht die Raffinesse der „Shrek“-Filme aus: Sie holen jene Exzeichentrickjunkies zurück ins Kino, die zwar als Kinder in der Disney-Welt gelebt haben, sich dann aber irgendwann enttäuscht abwendeten, sei es, weil sie in ein weniger beeindruckbares Alter kamen, sei es, weil die herkömmliche Disney-Produktion immer formelhafter und kalkulierter wurde. So wie Quentin Tarantino mit dem Actionfilmgenre ein doppeltes Spiel trieb, so tun es die „Shrek“-Filme mit dem Zeichentrick: Sie entlarven die gängigen Verfahren, unterwandern sie ironisch und besetzen sie auf elegante Weise neu. Wo „Shrek 1“ sich in seinen Anspielungen noch ganz auf den animierten Märchenkosmos beschränkte, ist „Shrek 2“ gespickt mit Filmzitaten von „Spiderman“ bis „Herr der Ringe“ und mit Namedropping von „Versarchery“ bis „Burger Prince“. Schon wegen der Dichte der zu entschlüsselnden Hinweise handelt es sich eher um einen Film für Erwachsene, in den man, wenn man denn unbedingt eine Ausrede braucht, aber auch Kinder mitnehmen kann.

Wie in der Welt der Actionsequels häufig, ist „Shrek 2“ ein zweiter Teil, der fast noch besser funktioniert als der erste. Das hat damit zu tun, das hier kein Plot mehr stattfindet, sondern die pure Selbstreflexion betrieben wird. Der Film handelt gewissermaßen von sich selbst und ist sich selbst genug. „Shrek 1“ musste noch einen ganzen Figurenkosmos vorstellen, hier in „Shrek 2“ ist man darin längst zu Hause.

Deshalb macht es auch nichts, dass der Oger Shrek eine im Grunde sehr langweilige Hauptperson ist. Man könnte ihn nur schwer ertragen, wenn er nicht die meiste Zeit so köstlich missgelaunt wäre. Zwischendurch erleben wir ihn hier als schönen Prinz, dem die Mädchen scharenweise nachlaufen, was ihn allerdings kaum interessanter macht. Weitaus witziger ist da schon die gute Fee, die als Verkäuferin der modernen Selbstverbesserungstechniken auftritt. Darin lässt sich ein für Animationsfilme wenig typischer Ansatz von Ideologiekritik erkennen – ähnlich wie in der ultimativen Shrek-Botschaft, dem Aufruf zum Mut zur Hässlichkeit.

So weit, so gut, zum echten Highlight aber wird „Shrek 2“ durch den furiosen Auftritt einer Nebenfigur: des Gestiefelten Katers oder wie die amerikanisierte Märchenwelt ihn nennt: Puss-in-Boots! Mit nur wenigen Szenen – wir fordern an dieser Stelle einen Spin-off –, erobert er die Zuschauerherzen ganz und gar. Im Original leiht ihm Antonio Banderas seine Stimme, aber auch in der deutschen Synchronfassung kommt der herrlich campy Latinocharme dieser Figur noch rüber: Puss, der wie Zorro mit drei Schwertstreichen sein Initial ritzen kann, pflegt eine nahezu peinliche Macho-Attitüde, so großspurig wie weinerlich. An den entscheidenden Stellen aber weiß er die Waffen einer Frau einzusetzen – ein ergebener Blick aus unwiderstehlich feuchten Augen. Wunderbar affektiert trifft diese Figur wie keine andere die Balance zwischen Animationscharakter und „echter“ Persönlichkeit. Dazu noch ist sie fantastisch gezeichnet, man erkennt in jeder Sekunde das wahre Tier. Im dynamischen Zusammenspiel von Zeichnung und Stimme entsteht ein mitreißender Charakter, der nur einen banalen Satz wie „Ich darf nicht weinen“ sagen muss, und das ganze Kino brüllt vor Lachen. Sehen Sie selbst.