winkler, feier etc.
: Historiker des Westens

Mit dem Berliner Historiker Heinrich August Winkler ist es ein bisschen wie mit Helmut Schmidt. Zwar feierte der Emeritus der Berliner Humboldt-Universität kurz vor Weihnachten erst seinen siebzigsten und keineswegs schon seinen neunzigsten Geburtstag. Doch hat auch er den kurzfristigen Moden seines Metiers stets widerstanden, was nicht immer allen Fachkollegen gefiel. Und langfristig hat das auch ihn, den politisch bestens vernetzten Wissenschaftler, zu einer kaum bestrittenen Autorität gemacht – wobei auch in diesem Fall Kritik an jüngeren Kollegen mitschwingt, bei denen mancher den Kompass fürs Wesentliche vermisst.

Paradoxerweise hat aber genau diese Absage ans Modische dazu geführt, dass Winkler mit seinen Büchern und Thesen stets rechtzeitig zur Stelle war. Das galt schon für sein bisheriges Hauptwerk zur deutschen Geschichte, „Der lange Weg nach Westen“, das ein Jahr nach dem Regierungsumzug erschien und der neuen Berliner Republik das passende Geschichtsbild lieferte.

Manche Kritiker sahen in der These von der Abweichung und glücklichen Heimkehr in den Westen ein bloßes Aufwärmen der vermeintlich abgestandenen These vom deutschen Sonderweg. Sie suchten den Autor zu belehren, dass es einen Normalweg in der Geschichte gar nicht gebe. Dabei war sich niemand stärker als Winkler der Tatsache bewusst, dass die Historie des Westens ihrerseits einen Sonderweg darstellt, womöglich sogar den extremsten Sonderweg der Weltgeschichte – ohne die westlichen Werte deshalb zu relativieren.

Es ist daher nur konsequent, dass Winkler sein zweites Opus Magnum der „Geschichte des Westens“ widmet, deren erster Band im Herbst erscheinen soll. Auf einer nachträglichen Geburtstagsfeier, die der Beck-Verlag jetzt für ihn ausrichtete, gab der Historiker erste Einblicke in das Werk. Es bedarf keiner prophetischen Fähigkeiten, um vorauszusehen, dass auch dieses Buch wieder als Kommentar zur Aktualität gelten wird, zur Wiedervereinigung der westlichen Wertegemeinschaft unter der Ägide des neuen US-Präsidenten Barack Obama.

Von den Anfängen des Monotheismus im alten Ägypten bis zum Ersten Weltkrieg soll der erste Band reichen. Der Trennung von Kirche und Staat im Christentum will Winkler darin breiten Raum einräumen – und auch die Rückschritte nicht verschweigen, die etwa das protestantische Staatskirchentum auf diesem Feld bedeutete. Ein bisschen viel Christentum vielleicht? Abschließend will Winkler noch nicht festlegen, welchen Stellenwert er den Religionen zuweist: „Das weiß ich noch nicht, denn ich habe es noch nicht geschrieben“, zitiert er dazu nur einen namentlich nicht genannten Historikerkollegen.

RALPH BOLLMANN