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Archiv-Artikel

Phönix aus der Asche

Wo der Hudson River in den Bosporus fließt: Zum Auftakt der neuen „Heimatklänge“-Saison brachte der bulgarische Saxofonist Yuri Yunakov aus New York ein All-Star-Ensemble aus Virtuosen der nahöstlichen Diaspora-Szene mit an den Potsdamer Platz

VON DANIEL BAX

Einfach da weitermachen, wo man aufgehört hat: Das ist die Devise des „Heimatklänge“-Festivals, das nach Krise, Neustart und geglücktem Umzug an den Potsdamer Platz in diesem Jahr nun wieder in die Vollen geht. Statt des Notprogramms des vergangenen Sommers, als das Festival kurzerhand auf eine kurze Woche eingedampft wurde, um es nach dem Auszug aus dem Tempodrom überhaupt über die Runden zu retten, geht es nun wieder über die volle Strecke von sechs Wochen: Bis Anfang August wird das so genannte Kulturforum, jene Brachfläche zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie, also endlich wieder seinem Namen gerecht.

Einfach da weitermachen, wo man aufgehört hat: Diesen Wunsch haben die Macher der „Heimatklänge“ mit den Bewohnern jener Stadt gemeinsam, die in diesem Jahr als Schwerpunkt des Festivals dient: New York, das sich wieder wie der Phönix aus der Asche des 11. September hervorgerappelt hat. Die multiethnische Vielfalt der amerikanischen Metropole äußert sich in der musikalischen Vielfalt ihres Clublebens ebenso wie in den diversen landsmannschaftlichen Paraden das ganze Jahr über, von den fahnengeschmückten Feiern des „Puerto Rican Day“ bis zu den Umzügen zum irischen „St, Patrick’s Day“. Dieser Vielfalt widmen die „Heimatklänge“ in diesem Jahr ihr Augenmerk, indem sie sechs verschiedene „Bands of New York“ in die Stadt laden.

Einfach da weitermachen, wo man aufgehört hat: Davon kündete auch die Entscheidung, die diesjährigen „Heimatklänge“ mit einem Auftritt des bulgarischstämmigen Saxofonisten Yuri Yunakov zu beginnen. Denn dessen „Gypsy Fire“-Projekt hätte auch gut und gerne ins Programm des letzten Jahres gepasst, als das „Heimatklänge“-Motto noch schlicht „Gypsy“ lautete. Andererseits sind die orientalischen Bauchtanzmelodien, die der beleibte Saxofonist aus seinem Saxofon züngeln lässt, eben nicht nur auf dem Balkan und in Istanbul zu Hause. Sondern auch in den Clubs und Kaschemmen der Eight Avenue, wo sich Emigranten aus allen Teilen des Nahen Ostens niedergelassen haben und sich die Folklore ihrer Heimatländer mit Jazz und anderen Einflüssen verband.

Wer am Mittwoch nach dem Abpfiff des EM-Fußballspiels zwischen Portugal und den Niederlanden am Kulturforum vorbeischaute, der kam genau rechtzeitig zum Beginn der zweiten Halbzeit des „Heimatklänge“-Auftakts: Die obligatorische Getränkepause gehört ja geradezu zur Tradition des Festivals. Nur ein kleines Häuflein von rund 150 Zuhörern hatte sich da vor der Bühne eingefunden, zur Hälfte, wie man bald an den kundigen Bauchtanzbewegungen sehen konnte, türkischer oder orientalischer Herkunft.

Zwei junge türkische Passanten waren, wie womöglich einige mehr, rein zufällig durch die orientalischen Klänge angelockt worden, die vom Kulturforum fast bis an den Potsdamer Platz wehten: Staunend standen sie am Eingang des Konzertgeländes und fragten, was denn das hier sei. Denn den Auftritt eines so hochkarätigen orientalischen Ensembles erlebt man auch in Berlin nicht alle Tage.

Der bulgarische Exboxer Yuri Yunakov spielt das Saxofon, als wäre das Instrument im Nahen Osten erfunden worden, bescheinigte ihm einmal ein US-Musikkritiker. In seiner Band, mit der er nach Berlin reiste, versammelt er einige der größten Stars der nahöstlichen Diaspora-Szene: den türkischen Ney-Flötisten Omar Faruk Tekbilek etwa, der sich durch seine Ausflüge in den Jazz einen Namen gemacht hat, den armenischen Kanun-Virtuosen Harold Hagopian oder den libanesischen Percussionisten Richard Khuzami. Zwar wirkte die Präsentation etwas statisch, saßen die Musiker doch fast das ganze Konzert über auf ihren Stühlen fest. Doch zum Entzücken ihres Publikums gab diese All-Star-Band eine ganze Reihe türkischer Gassenhauer zum Besten.

An New York erinnerte da nur noch die Hochhauskulisse des Potsdamer Platzes, die im Hintergrund strahlte. Doch andererseits hatte das Konzert den Charme einer spontanen Block-Party, wie man sie sich so auch in den Hinterhöfen von Brooklyn vorstellt. Was nur einmal mehr die Parallelen zwischen den Türken in Berlin und den Afroamerikanern in New York belegt.

„Bands of New York“: bis zum 8. August auf dem Kulturforum, Potsdamer Platz. Yuri Yunakov: bis Samstag täglich 21.30 Uhr, Sonntag 18 Uhr. Eintritt 5 €