Bob krümmt sich um das E-Piano

Robert Zimmerman, called Dylan, war auf seiner „Never Ending Tour“ auf der Bonner Museumsmeile und lieferte eine seiner wunderbaren, staubfreien Rock‘n‘Roll-Shows ab. Nur ein paar Mitsinger im Publikum störten das Konzert

Bob Dylan ist momentan gut drauf. Beim Konzert auf der Bonner Museumsmeile hat er mindestens zehn mal gelächelt, zweimal sogar richtig laut losgelacht – für den kauzigen und publikumsscheuen Musiker eine wahre Explosion. Das passt ins Gesamtbild. Bob Dylan liefert seit Jahren wunderbare, staubfreie Rock‘n‘Roll-Shows ab, mit guten und schwächeren Tagen, aber immer weit entfernt von einer abgeschmackten Oldie-Show. Seine aktuelle Stimm-Form ist die beste seit 20 Jahren, obwohl er die hohen Töne heute nicht mehr trifft. Er röchelt, krächzt, näselt. Doch wer „All along the Watchtower“ im aktuellen, düsteren, bedrohlich anschwellenden Arrangement hört, weiß sofort: It‘s the Singer, not the Song.

In den letzten zehn Jahren hat er nur zwei Platten rausgebracht. Doch Dylan ist rastlos. Seit 1987 befindet er sich auf der so genannten „Never Ending Tour“ – eine Bezeichnung, die Dylan nicht sonderlich mag. Aber es passt schon: Über 100 Konzerte macht er im Jahr und die Setlist wechselt jeden Abend. Im letzten Jahr hat er 120 verschiedene Songs gespielt. Zu den wenigen Fixpunkten gehört „Like a Rolling Stone“ – als Zugabe.

Begleitet wird er von einer vierköpfigen Band. Einzige Konstante seit 15 Jahren: Bassist Tony Garnier, „der Metronom“, ist der Mann, der den ganzen Laden zusammenhält. Larry Campbell ist seit fünf Jahren dabei. Der Arrangeur und Gitarrist, auf allen Saiten zu Hause. Dylan kann sich zwischen den Beiden austoben, seit zwei Jahren auch auf dem E-Piano. Und da das Mikro dort viel zu tief hängt, krümmt er sich um das ungewohnte Instrument, bei dem er oft auf die falschen Tasten haut. Seine Gitarre hat er eingemottet. Gicht oder Arthrose machen das Spielen angeblich unmöglich.

Das Bonner Programm ist solide. Die Setlist der vorletzten Nacht im irischen Galway liest sich besser. Bonner Höhepunkt ist das selten gespielte „This Wheel‘s on Fire“. Bekannt vor allem in der Hammondorgel-Version von Brian Auger und Judie Driscoll. Bei Dylan wird der Song zur bedächtigen, im Sprechgesang phrasiert vorgetragenen, zynischen Anklage – mit einem dicken Ausrufezeichen nach jeder Strophe. Einige Songs werden erst mit dem Refrain erkennbar. Völlig neu arrangiert. Außerdem macht sich Dylan einen Spaß daraus, Strophen zu vertauschen, wegzulassen oder gar neue zu erfinden. Bei „It ain‘t me Babe“ (natürlich) bleibt kein Baustein auf dem Anderen. Das eher folkige Stück mutiert zum Blues-Shuffle – wie überhaupt die bluesig-rockigen Variationen überwiegen: „It‘s allright Ma“ gewinnt so an Dramatik und „the President of the United States“ muss auch in Bonn vom Publikum lauthals gefordert „naked“ da stehen.

Ärgerlich wird es nur, wenn sich „textsichere“ Konzertbesucher im Mitsingen versuchen und vor allem bei den ruhigeren Liedern die Performance falsch und schief grölend übertönen. In diesem Fall muss ich immer an einen Satz des Dylan-Kenners und Sexfront-Autors Günther Amendt denken: „Hätte ich in diesen Momenten ein Waffe zur Hand, ich könnte für nichts garantieren.“ HOLGER PAULER