: Russland zerschlägt seine Exportwirtschaft
Zuspitzung im Machtkampf zwischen dem Kreml und dem inhaftierten Oligarchen Chodorkowski: Der Ölkonzern Yukos, Russlands größter Devisenbringer, ist nach Kontensperrung und neuen Steuerforderungen zahlungsunfähig
MOSKAU dpa ■ Nach einem Jahr der Angriffe von Justiz und Politik ist Russlands größter Ölexporteur Yukos praktisch pleite. In Moskau gehen Analysten davon aus, dass die Kontrolle über Yukos bald an den Staat geht.
Gestern bestätigte Yukos die Sperrung all seiner russischen Konten durch die Steuerbehörden. Dies sei Teil des am Vortag eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens zur Eintreibung der Steuerschuld in Höhe von rund 2,8 Milliarden Euro, sagte ein Yukos-Sprecher in Moskau. Ein Berufungsgericht hatte am Dienstag das entsprechende Steuerurteil für 2000 gegen den Konzern bestätigt.
Gerichtsvollzieher hatten sich am Donnerstag Zugang zur Konzernzentrale von Yukos verschafft. Zudem erhoben die Steuerbehörden am Abend erstmals Nachforderungen für das Jahr 2001 – in Höhe von ebenfalls 2,8 Milliarden Euro. Insgesamt verlangen die Steuerbehörden nun mehr als fünf Milliarden Euro von Yukos. Die Hälfte der Summe muss der Konzern bereits in den nächsten Tagen zahlen.
Analysten äußerten sich gestern pessimistisch über die Zukunft des Ölproduzenten. Ein Konzernsprecher betonte, schon in den nächsten Tagen drohe ein Produktionsstopp, weil Yukos die laufenden Kosten wegen der gesperrten Konten nicht mehr tragen könne.
Die Tageszeitung Iswestija kommentierte: „Jetzt haben die Steuerbehörden von Yukos noch mal 98 Milliarden Rubel nachgefordert, dieses Mal für das Jahr 2001. Es sieht so aus, als ob man damit eine Kompromisslösung ausschließen kann. Es bleibt die Frage nach den politischen Motiven hinter dem Fall Yukos. Präsident Putin und Finanzminister Kudrin hatten zuletzt betont, der Konzern müsse erhalten bleiben und dürfe nicht in die Pleite getrieben werden. Entweder war das nur ein Täuschungsmanöver oder die Führung des Landes gehört auch längst zu denen, die nicht mehr wissen, wo es im Fall Yukos langgeht.“
Das Wirtschaftsblatt Kommersant erwartet eine vorübergehende Verstaatlichung von Yukos als Lösung des Problems. Die Regierung werde die Anteile der Mehrheitseigner-Holding Menatep an Yukos so lange übernehmen, bis die Steuerschulden abgezahlt sind. Das kann Jahre dauern: Aus den Steuerbehörden ist weiter zu hören, dass sich die gesamten Steuerschulden von 2000 bis 2004 auf insgesamt bis zu neun Milliarden Euro belaufen könnten. Vielleicht ist es nur ein Zufall, dass das Menatep-Paket an Yukos den gleichen Wert hat. Hinter Menatep steht der inhaftierte Großunternehmer Michail Chodorkowski, der beim Kreml in Ungnade gefallen ist. Die beim Kreml wohlgelittene Konkurrenz steht längst in den Startlöchern. Insgesamt sind die Aktiva von Yukos derzeit etwa 25 Milliarden Euro wert.